Nur eins kam durch

■ Weniger kuschlige Enten-Küken / Ornitologenstreit: Hunger oder Umweltgifte

“Du Papi, die hatten doch sonst immer so kleine Enten im Park!“ Das kleine Mädchen hüpft ziellos am Ufer des Stadtgrabens hin und her. Auch in einem ausgehöhlten Baumstamm, wo noch Überreste eines Vogelnestes verstreut sind, kann sie weder Eier noch Küken finden. Auch vielen Spaziergängern und Radfahrern ist es bereits aufgefallen: Da, wo man in den vergangenen Jahren über Entenkükenkolonnen beinahe ins Straucheln gerat, herrscht heute gähnende Leere. Nur vereinzelt sieht man die eine oder andere Entenmutter im Gefolge von drei oder vier Miniexemplaren.

Martin Rode vom Naturschutzbund Deutschland weiß warum: „Nicht nur die Enten sondern auch andere Vögel reagieren ziemlich empfindlich auf das kalte Frühjahrswetter und die Tatsache, daß es deshalb ja auch kaum Kleintiere und Insekten gibt.“ Drei Strategien haben Singvögel, Eulen, Enten und Wiesenvögel, um mit dieser Mangelsituaton fertig zu werden. Entweder sie legen von vornherein eine geringere Anzahl von Eiern, um zumindest die wenigen Nachkommen durchzufüttern. Oder: Das Brüten wird einfach um einige Wochen verschoben bzw. fällt ganz aus. Dritte Möglichkeit ist die sogenannte natürliche Auslese, mit anderen Worten: Nur das stärkste Küken kommt durch.

„Die Kiebitze zum Beispiel haben wie immer ganz normal ihre Eier gelegt,“ weiß Rode, „aber von den Jungen hat kaum eines die

Meine Entchen sind alleFoto: Tristan Vankann

vielen Nachtfröste überlebt.“ Weil es so wenig Nahrung gibt, es bei den Singvögeln sozusagen Totalausfälle. Anders bei den Eulen: Die richten sich streng nach der Anzahl der vorhandenen Mäuse

hier bitte

das Mädchen mit

Gitter und Ente

und legen „ganz gezielt“ ihre Eier. Auch der Storch hat sich umgestellt. Vogelspezialist Rode: „Heute kann man sich freuen, wenn er mal drei Junge über die kritische Zeit hinweg

bringt. Der Rest verhungert einfach.“ Hier würden allerdings auch noch andere Faktoren, wie Umweltverschmutzung eine Rolle spielen. Rode: „Park-Enten reagieren genauso sensibel, weil sie durch das viele Füttern schon völlig degeneriert sind. Sie leiden an Mangelerscheinungen durch die Fehlernährung.“

Ganz anders beurteilt Eberhard Focke, Zoologe vom Überseemuseum, die Situation. Ihm persönlich ist überhaupt nichts aufgefallen. „Die Vögel können sich umstellen. Außerdem ist das alles Quatsch mit zu niedrigen Temperaturen und Nachtfrost, das Wetter ist völlig normal.“ Doch selbst wenn wir Nachtfröste hätten, würde das den jungen Vögeln gar nichts ausmachen. „Die sitzen doch in ihrem Nest und sind gut versorgt“, findet Focke. „Vögel sind robust.“ Wenn die Brut in diesem Jahr wirklich geringer sei, läge das sicher an anderen Dingen. „Vielleicht schwirren ja in der Luft Gifte herum, wer weiß.“ Birgit Ziegenhagen