: Horns doppeltes Spiel
■ »Busters Bedroom« — Maschinenträume von Rebecca Horn und die Ausstellung zum Film
Die Ausstellung zum Film: Während Busters Bedroom, ein neuer Spielfilm von Rebecca Horn, in Berlin anlief, eröffnete die Galerie Franck + Schulte mit einer Installation der Künstlerin, dem Chor der Heuschrecken. In beiden Werken geht es um Natur und Technik, repräsentiert in Tieren und Maschinen. Zwischen diesen beiden Polen befindet sich der Mensch. Keiner der beiden Welten ganz angehörend, bildet er so etwas wie eine Durchgangsstation für Energien, deren Fluß Natur und Technik miteinander verbindet. Daß dabei nicht unbedingt eine harmonische Einheit entsteht, bezeugen die Fehlzündungen und Explosionen, von denen vor allem die Insassen des »Nirvana Houses«, Schauplatz des Films Busters Bedroom, gebeutelt werden.
Schreibmaschinen und Weingläser gehören eigentlich zur Grundausstattung jeder Galerie. Doch bei Franck + Schulte finden sie sich, ihrer Funktion im Kunstmanagement entzogen, in dem Chor der Heuschrecken wieder. Mercedes, Fortuna, Triumph, Torpedo und Olympia heißen die schwarzen, stolzen Instrumente, deren Tasten sozusagen noch auf hohen Stöckelschuhen liefen. In den Olymp am Galeriehimmel versetzt und von elektrischen Impulsen gesteuert, spielen die ratschenden Walzen und klappernden Tasten nun ihre eigene Musik. Nur ein großer weißer Stock reicht aus der Installation auf den Boden nieder und scheint wie ein blinder Fühler nach dem Besucher zu tasten. Im Zeitalter der Computer selbst schon zu einem anachronistischen Geräusch geworden, wird das altertümliche Klingeln und Rattern zu einem musealen Konzert, vergleichbar der Stimmaufnahme aussterbender Tiere. Schon der Titel Chor der Heuschrecken setzt Insekten und Maschinen in Beziehung. Technik und Natur stehen sich nicht als feindliche Prinzipien gegenüber: die Schreibmaschinen wirken eher als plumpe mechanische Nachahmung. Sie liefern so wenig einen lesbaren Text, wie der Gesang der Grillen den Menschen verständlich ist. Die ständige Vermehrung des geschriebenen Wortes bleibt wie die zirpenden Laute ohne Folgen für die Geschichte des Menschen. Die Ambivalenz der Technik in der Hand des Menschen findet sich vorformuliert im Mythos der Heuschrecken, die als Musikanten des Südens geliebt und als die Ernte vernichtender Schwarm gefürchtet werden. So konnte der Chor der Heuschrecken auch als Ankündigung einer Katastrophe verstanden werden.
Dem Maschinenhimmel gegenüber befindet sich ein Raum, dessen Boden mit Weingläsern bedeckt ist, die auf maschinell kippelnden Bohlen befestigt sind. Ihr leises Aneinanderklirren ist kaum zu hören. Zwischen den Gläsern, die wunderbarerweise nie über den Rand fallen, steigen bläuliche Blitze an Metallzungen auf, ähnlich den elektrischen Funken, die bei jeder künstlichen Erschaffung des Menschen unersetzbar als Ausdruck für die Energie des Lebens sind. Fragilität und Transparenz zeichnen den Glasteppich aus.
Ein Glas und eine Maschine gehören auch in Busters Bedroom zur Grundausstattung einer Figur. Ohne Rollstuhl und Whiskyglas kann Mrs. Daniels (Geraldine Chaplin) nicht überleben. Im »Nirvana House«, einem Heim für ehemalige Größen des Showgeschäfts, versucht die frühere Turmspringerin, gleich einer Schlange ihre Kraft durch Bewegungslosigkeit zu speichern, um sich dann in die Luft zu schleudern und den Traum vom Fliegen zu erfüllen. Statt dessen wirft sie ein von Eifersucht ausgelöster Energieschub in den Swimmingpool: sie ertrinkt. Unentwegt schöpft ihr Whiskyglas, das sie, am Rollstuhl befestigt, mechanisch mit Alkohol versorgte, Wasser aus dem Pool und schüttet es ins Leere.
So stattet Rebecca Horn jeden Insassen und Besucher der Klinik im zeitlosen Nirgendwo der kalifornischen Wüste mit Obsessionen aus, die sie zu mechanischen Nachahmungen der organischen Formen des Lebens zwingen und scheitern lassen. Am friedlichsten noch lebt Mr. Warlock, gelb-schwarz gestreifter Pollensammler, dessen mit Blütenstaubsäckchen umgebenes Bett einer Installation von Rebecca Horn aufs Härchen gleicht. Gefährlicher sind schon die Experimente O'Conners (Donald Sutherland), der sich die Kräfte aus den magischen Schlangenritualen der Indianer aneignen will. Wenn die Magie im »Nirvana House« funktioniert, dann nie im Sinne ihrer Beschwörer. Der Umgang mit Ressourcen ist gestört. So mißlingen auch die Versuche der Diva Serafina Tannenbaum, ihre ehemaligen Liebhaber wiederzuerwecken, die sie als Schmetterlingslarven im Kühlschrank frisch zu halten glaubt.
Daß in diesem Heim einmal Buster Keaton gelebt haben soll, ist Ausgangspunkt der Filmstory. In seinen auf ein Minimum reduzierten Bewegungen schien jene Magie gespeichert, um die sich Horns Filmfiguren vergeblich bemühen. Auf Keaton, der gerade durch den Verzicht auf anrührende Mimik und die Beschränkung auf fast maschinelle Bewegungsabläufe an die menschlichen Gefühle rühren konnte, verweist Rebecca Horn mit ihrem Filmtitel als Vorbild. Aber leider erreicht ihr Film weder dessen Timing noch seine Absurdität der glücklichen Katastrophen und katastrophalen Glücksfälle. Die Mechanik des filmischen Handwerks und die Choreographie der anarchischen Dingwelt, die sich in plötzlich einstürzenden Hauswänden, brechenden Staudämmen oder davonfahrenden Lokomotiven ausdrückte, brachte Keaton zur perfekten Synthese. In Busters Bedroom dagegen sieht man sich abgefilmten Installationen gegenüber. Jene Freiheit, sich selbst in den Kunstraum zu begeben, die in einer Ausstellung gegeben ist, fehlt gegenüber der flimmernden Leinwand. Der Reihung der Bilder fehlt eine eigene Dynamik. Ihre assoziationsreichen Details rauschen am Kinobesucher vorbei. Die absichtsvolle Konstruktion der Filmfiguren gleicht der der Kunstmaschinen; zwar klappern und klirren sie komisch, doch entwickeln können sie sich nicht. Katrin Bettina Müller
Chor der Heuschrecken: Galerie Franck + Schulte, Mommsenstraße 56, 1-12, bis 22. Juni, Mo.-Fr. 11-18, Sa 10-15 Uhr. Busters Bedroom am 1. 2. und 8./9. Juni im Delphi um 15 Uhr
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