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Wer den Wahl hat, hat den Pokal

■ Der Nordost-Meister FC Hansa Rostock gewann auch den ersten und letzten Fußball-Pokal des Nordostdeutschen Verbandes gegen den Eisenhüttenstädter FC Stahl mit 1:0

Berlin (taz) — Uwe Reinders kann an seiner Stalltür einen neuen Pokal anhängen. „Ich kenne das von den Trabern oder den Galoppern, die schmücken mit ihren Throphäen die Ställe“, erzählte der Pferdefreund. Es ist ein ganz besonderer Pokal, weil er einmalig ist und einmalig bleiben wird: Der Fußballpokal des Nordostdeutschen Fußballverbandes. Im vorigen Jahr wurde noch im DDR-Bereich gekickt, im kommenden im Reich des DFB und nur diesmal im Niemandsland dazwischen.

Dabei hatte Trainer Reinders lange warten und rauchen müssen, bevor seine Fohlen zum Sieg galoppierten. Vorher trabten sie lustlos über den Rasen des Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks, um den sich die Trauerkulisse von 4.800 Zuschauern geschart hatte.

Reinders ärgerte sich über das ständige Hinterherrennen seiner Zweibeiner. Die „Rennpferde“ von Stahl Eisenhüttenstadt, auf die die Wetter Höchstsummen zahlen würden, waren erstaunlich beweglich, grasten hier, grasten da, fühlten sich an keinen Platz gebunden. Die Rostocker Dressur schien dagegen danebenzugehen. Mehr Gestolper als Stolzieren. Reinders blies die Nüstern auf, schnaubte wild in Richtung Rasen, scharrte nervös mit den Hinterhufen in der Aschenbahn, die das Spielfeld begrenzt.

Nur gewiehert hat er nicht. Das hätte er vielleicht in der Pause, für die der neue Erfolgstrainer eine deftige Predigt vorbereitet hatte. Aber kurz zuvor nahm ihm ein Torschrei alle Luft zum Meckern. Denn seine Rostocker trabten in der 43. Spielminute in mittlerweile gewohnt lässigem Tempo Richtung Eisenhüttenstädter Spielhälfte. Und plötzlich startete Herr Weichert durch, flitzte auf die rechte Seite, verlor nicht die Übersicht und flankte. Herr Wahl wiederum stand gerade in der Mitte des Strafraums herum und konnte beim besten Willen nicht mehr ausweichen. Die heranfliegende Lederkugel flog ihm direkt ans Bein und von dort ins Tornetz. Und der torhütende Herr Rudwaleit kauerte verdattert auf dem Rasen.

Danach hätte man nach Hause gehen können, aber fast alle blieben. In der zweiten Spielhälfte rannten die zwanzig spielenden Darsteller mal hier hin, mal dahin, ein rechter Sinn war jedoch kaum auszumachen. Eisenhüttenstadt wollte, aber konnte nicht so richtig, Rostock kann vielleicht, aber wollte nicht mehr. So übernahmen die Wächter über Ordnung und Sicherheit mit abschreckenden Drohgebärden immer mehr das Heft des Handelns. Sie umstellten das grüne Geläuf, um es vor Überläufern zu schützen.

Denn vor allem unter dem aus Rostock angereisten Publikum befanden sich zahlreiche traditionell-nostalgisch orientierte Fans, die schlechte Leistungen auf dem Rasen noch als persönliche Beleidigung empfanden. Einzig das Ergebnis konnte sie trösten. Hansa Rostock gewann um Brustbreite mit 1:0 und konnte nach 90 Minuten freudig erregt alle Hufe hochreißen. „Ich fühle mich wie im siebten Himmel“, jubilierte Herr Fuchs, der trotzdem in den Kölner Stall von Udo Lattek wechseln möchte.

Der überschwengliche Jubel hat viele verwundert. Mich nicht. Es wird auf längere Zeit der letzte Rostocker Sieg gewesen sein. In Zukunft machen die hochgezüchteten Flitzer aus München, Köln und Kaiserslautern das Tempo. Trainer Reinders wird die Zügel anziehen müssen, um nicht immer hinterherzulaufen. Vorher aber schickt er alle auf die Weide in die Ferien und kann in Ruhe an seiner Stalltür basteln. Neben dem letzten Meistertitel Nordost wird dann der letzte Pokalsieg Nordost angenagelt. Bleibt es der letzte? bossi

Eisenhüttenstadt: Rudwaleit — Wittke — Backasch, Kluge, Bartz — Schnürer, Rambow, Menze, K. Schulz (65. Lahn) — Löhnert, Milanovic (60. Richert).

Zuschauer: 4.800.

Tor: 1:0 Wahl (43.)

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