"Aktie" Frieden

■ Betr.: "Friedensdividende nicht in Sicht", taz vom 25.5.91

betr.: „Friedensdividende nicht

in Sicht“ von Andreas Zumach,

taz vom 25.5.91

Nicht nur ist die Friedensdividende nicht in Sicht, es wird sie auch nicht geben, da bereits der Begriff in Widerspruch zu sich selbst steht. Er ist zusammengesetzt aus zwei gegensätzlichen Substantiven.

Es setzt sich zwar allmählich die Erkenntnis durch, daß Frieden mehr sein muß als die Abwesenheit von Krieg, aber wie genau ein positiver Friedensbegriff ausgestattet werden sollte, ist nicht so klar. Artikel 1 Absatz 2 Grundgesetz erwähnt die Menschenrechte, das heißt personelle und strukturelle Gewalt in all ihrer Vielfalt sind mit einem positiven Friedensbegriff unvereinbar. Davon ausgehend, führt eine bloße Reduzierung der Militärausgaben noch nicht automatisch zu einer Friedensdividende, die sich nur durch einen großen Umdenkungsprozeß vor allem in der Ersten Welt verwirklichen läßt. Hier kommt der zweite Teil des Begriffs ins Spiel.

Dividende ist ein der Ökonomie entlehnter Ausdruck und bedeutet laut Duden „den auf eine Aktie entfallenden Gewinnanteil“. Diese „Aktie“ könnte wie folgt aussehen: als wichtigster Bestandteil eine gerechte Verteilung der Ressourcen und damit verbunden eine Veränderung im Konsumverhalten der Ersten Welt; hier bleiben zum Beispiel die USA nach wie vor eine bessere Energiepolitik schuldig. Die Politik von Weltbank und Internationalem Währungsfonds steht dieser Umverteilung auch immer noch im Weg.

Was eine Reduzierung der Militärausgaben betrifft, sollte noch etwas Beachtung finden: einen großen Anteil an diesen Kosten hat auch die militärische Forschung und Entwicklung. In den westlichen Industrieländern haben im Bereich der Hochtechnologie multifunktionale Technologien auch einen größer werdenden Anteil. Diese Technologien (zum Beispiel Sensoren) sind erst in ihrer Anwendung ambivalent, das heißt, sie finden sowohl zivile wie militärische Nutzung. Bis sie dieses Stadium erreicht haben, ist für ihre Entwicklung zum Teil schon sehr viel Geld ausgegeben worden, das nicht eindeutig militärischen Ausgaben zugerechnet werden kann. Hieraus folgt, daß nicht so einfach Gelder umgeleitet werden können, wo eine „militärische“ Nutzung nicht eindeutig feststeht.

Was den Widerspruch betrifft, so sei an das lateinische „divide et impera“ erinnert. In einer Demokratie läßt sich Macht auf verschiedene Pfeiler verteilen, aber das Allgemeingut Frieden ist unteilbar (oder sollte es sein). Zunächst ist also „burden-sharing“ gefragt, und zwar vor allem von Seiten der Ersten Welt, die viel zu lange auf Kosten der anderen sich entwickeln konnte. Mit Hilfe dieser Lastenteilung kann dann vielleicht die „Aktie“ Frieden gerechter verteilt werden. Angelika Brinkmann,

(West-)Berlin