Die Ästhetik der Wohnstube

■ »Akustische Spiele« von Moglia und Leissring im Haus Drama

Feuer und Wasser: zwei der vier antiken Elemente. Zwei Bestandteile aller Mythen. Für Michel Moglia und Frank Leissring sind Feuer und Wasser das Spielmaterial ihrer prohabilistischen Aktionen. Der eine (Moglia) ordnet mit Feuer die Klangwelt neu. Der andere (Leissring) arbeitet mit Wasser und Klangrhythmus und unterwirft sich dem Zufall.

Feuer und Wasser — Idee und Ausgangspunkt der Ausstellung im Haus Drama — sind als Instrumente der Künstler nur einmal anwesend, nämlich zur Eröffnung, sonst nicht mehr. Doch das, was sie erzeugen, ist vorhanden. Sowohl als Objekt, wie auch als technische Apparatur. Für Wasser stehen eine angezapfte Wasserleitung, ein Gerüst mit mehreren Dutzend Blechbüchsen, auf die das Wasser herabrinnt und damit Tonfolgen erzeugt. Wasser ist bei Leissring keine feststehende Größe, sondern Prozess, Zirkulation, Chaos und Rhythmus. Für Feuer stehen mehrere Stahlrohre unterschiedlicher Größe, an einem Gerüst befestigt, zwei Lötlampen und eine Gasflasche. Das Feuer erzeugt über eine einfache Drahtmembran in den Röhren entsprechend dem Durchmesser und der Länge Schwingungen, die auch nach dem Abdrehen des Gases anhalten. Feuer ist für Moglia nicht Natur, sonder Mythos. Es schafft nicht, es zerstört nicht, es verändert nicht: es entlockt. Dem Metall Töne und uns Staunen. Beider Intentionen im Zusammenspiel zu erleben ist beeindruckend — und unwirklich zugleich. Hier das unrhythmisch-rhythmische Tropfen des Wasser. Dort (in einem anderen Raum des Hauses Drama) die tellurischen Töne des Feuers. Überirdisch und unterirdisch zugleich. Der Rest der Exposition ist Beiwerk. Füllmaterial und Verlegenheitsgeste, da das Erlebnis »Feuer — Wasser« nicht reproduzierbar ist. Oder aber nicht reproduzierbar sein soll.

Nach ihren Moglias und Leissrings Aussagen sind die Apparaturen im Haus Drama »Wohnzimmerinstrumente«. Zurechtgestutzt auf die Räume des ehemaligen Kulturministeriums der DDR in der Clara-Zetkin- Straße, in dem sich jetzt das Kulturzentrum Haus Drama befindet. Frank Leissring hat vordem ganze Flüsse angezapft, wie in den Pyrenäen bei Serrabonne. Moglia installierte riesige Metallröhren an Bergwänden und arbeitete sowohl mit dem Klang der Röhren, als auch mit dem Echo. Sein interessantestes Projekt wird im Herbst 1991 im Parc de la Villette in Paris Uraufführung erleben. Moglia plant, in diesem Park einen Wald aus Röhren zu errichten, durch den der Besucher wandeln kann. Über eine Klaviatur aus der Ferne werden die Brenner unter den Röhren angesprochen. Die erzeugten (und möglichen) Klangfolgen sind nur für den Operateur erkenntlich: Der Besucher steckt wie eine Amöbe in diesem Monstrum und nimmt lediglich die Töne wahr, in deren Nähe er sich befindet; ein Experiment mit dem Auseinanderdividieren von parallelen Ereignissen und Abläufen. Zusammen haben beide das größte konventionelle Kraftwerk Europas im Ural bei Perm zum Schwingen gebracht. Durch Leissring wurde das Kühlsystem perforiert und aus dem festen Zustand der Ordnung in den freien des Chaos und der Töne gebracht. Moglia benutzte die Brenner und die Schornsteine zur Erzeugung von Tönen. Ein ganzes Kraftwerk begann zu singen.

Betrachtet man diese Dimensionen — sowohl akustisch als auch baulich — so wird die Installation im Haus Drama durch ihre geringe Dimension ästhetisiert. Sowohl Leissrings Aufbau als auch Moglias Röhrenensemble sind Kunstprodukte; dementsprechend sind sie auch ohne die Anwesenheit der Aktion aussagefähig über die Intentionen der Künstler. Leissrings Arbeiten auf verschiedenen Sorten Papier sind dennoch (seinem) Erlebnis Wasser untergeodnet. Es gibt ein Davor: Berechnungen, Schemata, Computergraphiken. Sachliche Bemühungen, den chaotischen Prozess der Erzeugung von Tönen zu determinieren, ihn persönlich berechenbar zu machen. Und es gibt ein Danach: einen Erfahrungswert, der immer wieder neu erfahren werden will. Der kühlen Nutzbarkeit technischer Zeichnungen ist die Wirrnis der Eindrücke nach der Aktion gefolgt, die niedere Stufe der Ordnung von der Vorhersage ist der höheren des Erlebnis gewichen: dazwischen war Chaos.

Beide Stufen sind im Haus Drama Bestandteil der Ausstellung, wie auch die »Zuhörer« aus Watte, Geäst und Gips, die sich Leissring als stumme Zeugen seiner Akustischen Spiele geschaffen hat. Sie sind die Wächter der Stille, mit der der Besucher im Haus Drama vorlieb nehmen muß; es wird nichts zu hören sein. Kein Tropfen, kein Ton, keine Schwingung. Hier ist die Kunst im Ruhezustand — Akteur und Kulisse zugleich. Volker Handloik

Bis 23.6.; Clara-Zetkin-Str. 90, 1080, täglich 11 bis 18 Uhr