: Vermasselte Olympia-Visionen?
■ Das Spiel mit den schnellen Entscheidungen/ Olympiade benutzt, um städtebauliche Pläne voranzutreiben
Für Olympiagegner gibt es ein Fünkchen Hoffnung, daß die Spiele im Jahr 2000 nicht in Berlin stattfinden werden. Schuld daran könnte Olympiamanager Grüttke sein. Bei der ersten Runde einer von der Berliner Architektenkammer und der TU Berlin initiierten Veranstaltungsreihe zum Thema Olympia 2000 — Politik und Städtebau zeigte der Supermanager ein derart desolates Bild von seinen olympischen Visionen, daß den Fans der Spiele angst und bange werden mußte. Wichtig waren ihm Werbesprüche à la »Go for Gold« (ein Slogan, den er eigentlich schon irgendwo gehört haben sollte). Zudem machte sich die Einsicht breit, daß die Osthallen »ein Bild des Jammers« böten. Berlin müsse »renoviert« werden. Außerdem zeigte sich, daß Grüttke noch nicht darüber nachgedacht hatte, wie mit dem Thema »Spiele 1936« umzugehen sei. Darüber »muß man reden«, sagte er, um gleich darauf zu verstummen. Mit solchen Argumenten wird schwer gegen die Mitbewerber Paris, Brasilia oder Sydney anzukommen sein.
Die Olympiade 2000 als Chance für Berlin, die städtebaulichen, verkehrstechnischen und ökonomischen Defizite schneller als möglich [sic!, säzzer] zu bewältigen — so sieht es Wolfgang Branoner, Staatssekretär beim Senator für Stadtentwicklung. Die Olympischen Spiele seien ein »Beschleuniger« auf dem Weg, den notwendigen Stadtumbau voranzutreiben. Berlin benötige ohnehin neue Sportbauten, bessere Verkehrswege und künftige Wohn- und Dienstleistungsflächen. Das zentrale Konzept der »Spiele der kurzen Wege« sei geeignet, der Stadt infrastrukturelle Verbesserungen insgesamt zu geben. Die politischen und städtebaulichen Rahmenvorgaben für die Plangen eines olympischen Dorfes in Ruhleben, die Großhallen im Ostteil Berlins und die Bebauung an der Rummelsburger Bucht müßten angesichts des »Zeitmangels« schnell entschieden werden. Zustimmung erhielt Branoner vom früheren IBA-Chef Josef Paul Kleihues, der im »Zeitdruck eine Qualität« für politische und bauliche Entscheidungen sieht. Zuviel Mitbestimmung in der Planung könne sich eher hinderlich auf die Architekten auswirken. Zugleich könne Olympia 2000 nicht nur der Stadtreparatur dienen, sondern eröffne die »Chance, sich kontradiktorisch mit 1936 auseinanderzusetzen«, meinte Kleihues.
Auf die sozialen Einschnitte und strukturellen Veränderungen in der Stadt bei einer dirigistischen Olympiaplanung wiesen Gustav Hämer, S.T.E.R.N., und Hans Stimmann, Senatsbaudirektor, hin. Ohne eine Beteiligung der Bürger an den politischen und planerischen Entscheidungen, so Hämer, dürfe die Olympiade nicht stattfinden.
Die Veranstaltungsreihe wird am Donnerstag, 20. Juni, um 18 Uhr im Hörsaal im Architekturgebäude der TU, Ernst-Reuter-Platz, fortgesetzt. rola
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