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Brüder Gibb umsonst&draußen

■ „Drinnen“ mußten die Fans für 59 Mark lange auf die Bee Gees blöd warten

Für die schönsten Plätze brauchte man keine Eintrittskarte. Die Zaungäste des Bee Gee Konzerts konnten zwar nicht auf die Bühne sehen, aber auch für die meisten Besucher im Weserstadion waren die Stars nur kleine glitzernde Punkte auf der weit entfernten Bühne. Als es dunkel wurde, sah man die Show zwar auch als Videoprojektion, aber Bee Gees auf (alten) Videos konnte man viel gemütlicher gleich vor dem Stadion in der Kneipe „Zum Taubenschlag“ genießen, wo in bester Werdermanier das gesamte Konzert am Tresen und auf der Straße mitgefeiert wurde.

Die 40.000 Besucher, die für ihre die 59,-Mark Eintritt eine lange Wartezeit und Unbequemlichkeiten eingekauft hatten, standen sich im Innenraum des Stadions die Beine in den Bauch: Schon vor 17.00 Uhr forderte der Polizeisprecher dazu auf, aufzustehen, da sonst kein Platz mehr für die nachrückenden Karteninhaber gewesen wäre. Den Sitzenden auf den Rängen wurden gleich dannach keck befohlen, gefälligst zusammenzurücken: „Etwas Körperkontakt schafft doch gleich eine ganz andere Athmosphäre.“

Etwas geladen wurde die Atmosphäre dann, als die Fans um 18.00 Uhr erfuhren, daß sie noch zweieinhalb Stunden auf ihre Lieblinge warten müßten. Es gab zwei völlig unbekannte und recht mittelmäßige Vorgruppen, von denen auf den Plakaten nichts gestanden hatte, und raus konnte auch auch keiner mehr, weil die Karten beim Verlassen des Stadions ihre Gültigkeit verloren.

Von den langen Schlangen vor den WCs schweiften viele sehnsüchtige Blicke nach Draußen, besonders vor dem hölzernen Toilettenwagen an der Südtribüne, wo man zugleich Aussicht auf das aus dem Wagen quellende Abflußwasser und auf die Fans, die auf ihren Motorbooten und Yachten direkt am Stadion vor Anker lagen.

Umsonst und draußen lagen die wirklichen Logenplätze des Konzerts: Durch das Baustellenloch in der Südkurve konnte man vom gegenüberliegenden Ufer und der Weser aus alles sehr gut hören, man sah ein wenig vom Publikum und dessen konzentrierte Wunderkerzenensätze. Hier hatte man noch das Gefühl, beim Konzert dabei zu sein, aber gleichzeitig lagen die etwa zweihundert Zaungäste bequem auf ihren Decken, machten Picknick oder spielten mit den Kindern, und während des langen Zwangskonzertes der Vorgruppen konnten die einen noch gemütlich zuhause die Sportschau ankucken, die extra- Logen-Motorboote schipperten an der Breminale entlang.

Näher, aber dafür nicht ganz so bequem saßen und standen über hundert Schwarzhörer auf dem Peterswerder und beim Stadionbad. Von hier aus hatte man einen sehr guten Blick ins Stadion, leider nur auf die Rückseite der Bühne. (Aber der Sound war im Stadion selber auch nicht besser.) Auf dem Osterdeich, beim Bootshafen und an den Eingängen waren die hinteren Ränge des Freekonzerts gut besucht, aber hier stand der Wind nicht so günstig, es dröhnte durch den Beton hindurch und die rechte Stimmung wollte sich nicht einstellen. Vereinzelte Störenfriede versuchten gar, Lieder anzustimmen, die gar nicht nicht aus der Feder der Bee Gees stammten und an den Bierausschänken beleidigten Trunkenbolde mit ihrer Version von „Mässätschusätz“ die Ohren der empfindsamen Zuhörer. Dafür konnte man am Osterdeich zur rechten Zeit am rechten Ort auf wenige Meter an die Stars herankommen. Als um 22.45 Uhr im Stadion die Begleitmusiker noch gar nicht aufgehört hatte zu spielen, und die Fans am lautesten klatschten und schrien, fuhr die Wageneskorte der Gibbs bereits mit lautem Lalülala den Deich herauf und ab ins Parkhotel. Willy Taub

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