: Vom Nachttisch geräumt: Intimitäten
Auf Thomas Manns Notizbücher haben die Fans lange warten müssen. Peter de Mendelssohn hatte im Zauberer schon ausführlich aus ihnen zitiert. Hier lassen sich die Arbeiten an den Buddenbrooks so gut verfolgen wie nirgends sonst. Der Herausgeber hat aus anderen Quellen herbeigetragen, was die kurzen Aufzeichnungen verständlicher machen kann. Man stößt auch auf Eintragungen, die in wenigen Worten die problematische Haltung ihres jungen Autors überdeutlich machen: „Das Protestiren, unkünstlerisch wie es ist, gehört zur ,Litteratur‘. Der Künstler kritisirt nicht, nimmt auf, giebt sich hin, läßt sich von den Thatsachen, den Erscheinungen besiegen, sagt immer Ja, spiegelt wieder... ohne Reflexion.“ Die unsichere Orthographie und die Selbstgewißheit des Urteils. Ein verdachterregender Kontrast. Man beachte auch die sexuelle Konnotation, vor allem aber schiebe man die Sache selbst nicht einfach weg. Kunst und Kritik sind zwar nicht reine Gegensätze, aber eitel Harmonie wird zwischen den beiden nie bestehen. Ein großer Kritiker und Künstler dazu, ein Zeitgenosse Thomas Manns auch und mehr als das, hat ja versucht, die beiden im Begriff der immanenten Kritik enger zusammenzubringen. Mit beeindruckenden Ergebnissen. In diesem ersten Band der Notizbücher finden sich, wie auch in den Tagebüchern Manns, jene Intimitäten, die nicht nur die Verehrer des Autors so sehr schätzen. Da sind z.B. drei Adressen von Nervenärzten in Zürich. Nun, wir wissen, daß der Meister auch in jungen Jahren ständig kränkelte. Aber pikant ist die Sache schon, wenn man weiß, daß er die drei Helfer in Weiß während der Hochzeitsreise aufsuchen wollte.
Thomas Mann: Notizbücher (zwei Bände, die nur geschlossen abgegeben werden). Hrsg. von Hans Wysling und Yvonne Schmidlin, S. Fischer Verlag, 148 DM
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