„Im Kampf um den Markt werden wir Sieger sein“

Mehr als drei Milliarden Mark Umsatz für den Springer-Konzern/ Gewinn gesunken auf 65 Millionen Mark/ 'Bild‘ mit sinkender Auflage  ■ Aus Berlin Donata Riedel

Auf dem Zeitungsständer ist kein Platz für andere Blätter. Im 18. Stock des Axel-Springer-Verlagshochhauses stecken nur die hauseigenen Produkte in den Haltern — im Unterschied zu den Kiosken an Berliner Straßenecken. Noch. „Im Kampf um die Marktanteile in Berlin werden wir die Sieger sein, wer sonst?“ fragt Peter Tamm (63) und meint das rhetorisch. Auf der Bilanzpressekonferenz gestern in Berlin versuchte der Vorstandsvorsitzende von Deutschlands größtem Zeitungsverlag, sich doch noch den ersehnten starken Abgang zu verschaffen: „Uns geht's hervorragend, wir sind kerngesund“, strotzte Tamm, den im vergangenen Jahr der hausinterne Machtkampf, der mit seiner vorzeitigen Vertragsauflösung endete, zeitweilig krank gemacht hatte.

Gestern nun demonstrierte der schwergewichtige Springer-Chef auf dem Podium höfliche Einigkeit mit seinem Nachfolger, dem mageren Ex-Marlboro-Mann Günter Wille. Der war 1990 gegen den Willen Tamms vom Zigarettenhersteller Philip Morris in den Medienkonzern gewechselt und hielt sich gestern vornehm zurück. Das Jahr 1990 präsentierte Tamm als ein erfolgreiches: 17,5 Prozent mehr Umsatz, insgesamt 3,534 Milliarden Mark, brachte das Geschäft mit Medien wie 'Bild‘, 'Hör zu‘, Sat.1, Radio ffn, den Ullstein-Büchern und zahlreichen anderen Zeitungen, Zeitschriften und Privatsendern. 65 Millionen weist der Medienkonzern als Jahresgewinn aus. Das sind deutlich weniger als die 92 Millionen von 1989.

Nach Tamms Darstellung war der niedrigere Jahresüberschuß in der Bilanz Absicht, nach dem Motto: Weniger Gewinn spart Steuern. So habe man die 1990 in Berlin noch möglichen Sonderabschreibungen auf Sachinvestitionen ein letztes Mal voll ausgenutzt und 83 Millionen Mark abgeschrieben.

Doch gar so leicht, wie der gewichtige Springer-Chef das Geldverdienen im erweiterten deutschen Medienmarkt schildert, war das Geschäftsjahr wohl doch nicht. Der Kampf um Marktanteile im neuen Osten hat zunächst vor allem Geld gekostet. 30 bis 40 Millionen steckte der Verlag in die Erschließung des Vertriebsgebiets in Ostdeutschland. Auch die Konkurrenz durch die 'Super!‘-Zeitung, mit der Burda und Murdoch den Boulevardzeitungsmarkt von Osten her aufrollen wollen, läßt die Springer-Herren nicht kalt. „Es war nicht zuletzt der Erfolg von 'Bild‘, der inzwischen starke Gruppierungen internationaler Konkurrenz angezogen hat“, suchte Tamm das Problem als Sieg zu wenden. Die 'Bild‘-Zeitung habe man im ersten Quartal 1991 in den neuen Ländern täglich 600.000mal verkauft. Im vergangenen Jahr waren es allerdings zeitweilig 1,2 Millionen. In Gesamtdeutschland hatte 'Bild‘ (1. Quartal 1991) eine Auflage von 4,892 Millionen gegenüber 4,355 Millionen im gleichen Zeitraum 1990, als die Ostauflagen noch nicht mitgezählt wurden. In Westdeutschland ist die 'Bild‘-Auflage also zurückgegangen. Und der Berliner Markt ist ebenfalls kein leichter. Für Tamm ist ausgemachte Sache, daß „nicht alle“ 15 Berliner Tageszeitungen werden überleben können, auch wenn die Konkurrenz das Geschäft „vor allem auch qualitativ“ (Tamm) belebe. Daß die Qualität für Tamm nicht das einzige Kriterium für die Herausgabe einer Zeitung ist, zeigt allerdings die Schließung des Ostberliner 'Morgen‘, die pünktlich zur Bilanzpressekonferenz vom Springer-Vorstand verfügt wurde. Das Blatt mit dem „allseits anerkannten journalistischen Profil“, so der Ober-Springer, habe vor dem Hintergrund eines extremen Wettbewerbs nicht gehalten werden können. 18 Millionen Mark habe der Verlag in einem Jahr beim 'Morgen‘ verloren.

Im angestammten Springer- Markt der Boulevard-Postillen zeigt der Verlag allerdings längeren Atem: Die 'Bild‘-Variante 'Claro‘, seit April in Spanien auf dem Markt, darf weiter bei 150.000 täglichen Exemplaren dümpeln. Denn 'Bild‘ war in ihrem Gründungsjahr 1952 auch nicht sonderlich erfolgreich. Die Zeitungsständer vor den Kiosken wird sich Springer also weiter mit anderen Blättern teilen müssen.