Tour d'Europe

■ Christlicher Club EG

Vor einem „geschlossenen Club christlicher Staaten“ in Europa hat der türkische Staatspräsident Turgut Özal auf der parlamentarischen Versammlung der Westeuropäischen Union in der vergangenen Woche in Paris gewarnt. Seit 1987, als die Türkei ihren Aufnahmeantrag bei der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel einreichte, antichambriert Özal bei der EG. Mit wechselndem Erfolg: Zuletzt gelang ihm ein großer Coup, als die Gemeinschaft während der Golfkrise die Textilimportquoten aus der Türkei erhöhte, um den türkischen Wirtschaftsschaden durch den Irakboykott auszugleichen. Mit seinem Mitgliedsantrag ist Özal bisher jedoch immer abgeblitzt. In Brüssel ist schon strittig, ob die Türkei überhaupt ein europäisches Land ist, zweitens bemängelt die EG die große wirtschaftliche und soziale Kluft, die zwischen ihr und dem Land am Bosporus klafft und drittens widersprechen die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei jeglicher internationaler Moral. In Paris erklärte Özal allen Ernstes, sein Land habe „große Fortschritte auch in Menschenrechtsfragen“ gemacht. Daß die EG ihm dennoch die kalte Schulter zeigt und ihre Erweiterungsszenarios eher mit Mittelosteuropa und den Efta-Ländern entwirft, hält Özal für einen kapitalen Fehler. Eine Mitgliedschaft der Türkei, so Özal, könne der EG helfen, bessere Beziehungen zur islamischen Welt aufzubauen.

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Die EG-Bürger scheinen die Visionen der Brüsseler Bürokraten zu teilen. Nach einer Umfrage im Auftrag der Kommission steht die große Mehrheit von ihnen einem Beitritt der skandinavischen Länder aufgeschlossen gegenüber (über 80 Prozent), mehr als zwei Drittel der Befragten befürworten die Aufnahme Polens, Ungarns und der CSFR, im Fall der Türkei sind nur 55 Prozent für Erweiterung.

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Daß die EG-Mitgliedschaft einen hohen Preis hat, erläuterte Bundesaußenminister Genscher seinem finnischen Amtskollegen bei einem Blitzbesuch am vergangenen Montag in Helsinki. Jedes Land der Gemeinschaft müsse gleiche Rechte, aber auch gleiche Pflichten haben. Für Finnland bedeute das, daß es seinen Neutralitätsstatus aufgeben müsse.

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Wirtschaftliche Hilfe für die beabsichtigte Oder-Freihandelszone könnte auch aus Brüssel kommen. Bei seiner Rundreise durch die fünf neuen Länder hat der Präsident der EG-Kommission Jacques Delors zugesagt, er wolle eine EG-Förderung für das deutsch-polnische Grenzgebiet prüfen lassen. „Auch wenn alle EG-Juristen an die Decke gehen werden, könnte ich mir eine Förderung vorstellen, die sich mit einem Fuß auf den EG-Programmen abstützt und mit dem anderen auf Hilfsprogrammen für Osteuropa“, sagte Delors.

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Ein schweres Opfer verlangt der Europäische Binnenmarkt von Butterfahrern. Solche Reisenden, die bereit sind, stundenlang in Bus- und Schiffsbäuchen zu sitzen, um dann auf hoher See überteuerte zollfreie Produkte zu erwerben, müssen künftig auf ihr Vergnügen verzichten. Doch neben den Butterfahrten will die EG auch noch andere Duty-Free-Einkaufsmöglichkeiten abschaffen. So soll auch bei Flügen innerhalb der EG kein günstiges Parfum als Geschenk in letzter Sekunde mehr angeboten werden. dora