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Koalitionsregierung in Albanien

Fünf bislang oppositionelle Parteien treten in die Regierung ein/ Die Kommunisten kontrollieren die Repressionsorgane/ KP-Parteitag wird als halbherzig beurteilt/ Triumph von Hoxhas Witwe  ■ Aus Belgrad Roland Hofwiler

Seit gestern hat Albanien die erste nicht ausschließlich kommunistische Regierung seit mehr als 40 Jahren. Über eine Woche dauerten die Verhandlungen, bis die Koalitionsregierung der „Nationalen Errettung“ stand. Die Aufteilung: Neun Minister stellen die Kommunisten, fünf die größte Oppositionspartei, die Demokraten, je zwei Sozialdemokraten und Republikaner, und ein Minister gehört der Bauernpartei an.

Die Kommunisten behalten das Amt des Innenministers, dem auch Teile des Militärs unterstehen. Regierungschef wird der von Staatschef Ramiz Alia vor zwei Wochen eingesetzte Ministerpräsident Buffi, Reformer erst seit gestern und bekanntgeworden dadurch, daß er den Generalstreik von über 350.000 Beschäftigten, die das Land drei Wochen lang lahmlegten, schlichtete. Zum stellverstretenden Ministerpräsidenten ernannt wurde Oppositionsführer Ramoz Pashko von den Demokraten, der als Wirtschaftsminister die undankbare Aufgabe haben wird, Albaniens stalinistisches Wirtschaftssystem aufzubrechen.

Was dort jedoch hinter verschlossenen Türen an Flügelkämpfen ausgetragen wird, ist für die Bevölkerung kaum durchschaubar. Im staatlichen Fernsehen werden seit Anfang der Woche nur zensierte Parteitagsberichte gesendet. „Keine grundlegende Erneuerung, sondern eigennützige Machtkämpfe einzelner Parteicliquen“ urteilt die oppositionell- demokratische „Rilindja Demokratike“. Zwar mußten einige verhaßte Politbüromitglieder gehen, andere von der „alten Garde“ haben aber ihre Position erneut festigen zu können: Allen voran die 71jährige Enver-Hoxha-Witwe Nexhmij. Ihr Mann, so die schreckliche Witwe auf dem Parteitag, hätte als „großer Realist und Patriot“ die Notwendigkeiten des Wandels „in einer veränderten Welt“ auf jeden Fall gesehen, wäre er noch am Leben und es sei nicht das ausschließliche Verdienst von Ramiz Alia, daß sich nun Albanien dem Ausland und der Demokratisierung öffne. Ansichten, die auf dem Parteitag nicht unwidersprochen blieben. So wurde bekannt, daß der neue Vorsitzende des Schriftsteller- und Künstlerverbandes, Dritero Agolli, Enver Hoxha und dessen Frau als „herrschsüchtige Tyrannen“ attakierte, die für die derzeitige Misere und anstehende Hungersnot zur Verantwortung gezogen werden müßten. Ohne den Schriftsteller im Bild zu zeigen, meldete gestern dazu das albanische Fernsehen nur, diese Beschuldigungen hätten „heftige Tumulte“ ausgelöst.

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