: Mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht
■ Der Stalin-Allee-Erbauer sollte von der Hamburger Hochschule der Künste geehrt werden und wird es doch nicht
Gestern abend ernannte die Hamburger Hochschule der Künste Ehrenmitglieder. Die Idee stammt von Architektur-Professor Jos Weber: Anläßlich der „10. Norddeutschen Architekturtage“ sollten „vier Persönlichkeiten aus unterschiedlichen gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen, die zum Kulturbild dieses Jahrhunderts Wesentliches beigetragen haben“ geehrt werden. Sein Votum für den Bauhaus-Schüler Max Bill, den DDR-Architekten Henselmann, die Möbel-Designerin Margarete Schütte- Lihotzky und die Ausdruckstänzerin Gret Palucca wurde im Februar vom Hochschulsenat zunächst wohlwollend angenommen. „Als dann aber die Konnotation Henselmann—Stalin-Allee aufkam“, so Hochschul-Präsidentin Adrienne Goehler, sei ein Sturm der Entrüstung losgebrochen.
Es gab Kündigungsdrohungen, zwei Fachbereichsräte, die für „Freie Kunst“ und „Kunstpädagogik“, verweigerten ihr Einverständnis. Auch Max Bill zögerte zunächst, seine eigene Ehrung wegen Henselmann überhaupt anzunehmen, versprach aber dann, zu kommen und seine Meinung zu sagen. Die „anfangs faire Diskussion“ (Weber) spitzte sich zu. Henselmann gehörte zu der Generation der Architekten der Moderne, die in den zerstörten Nachkriegsstädten für Licht, Luft und Sonne im Wohnungsbau sorgte. Andererseits war er Ulbrichts liebster Baumeister und ließ etwa zugunsten des Leipziger Unigeländes und seines „Buchmonumentals“ die gotische Universitäts-Kirche sprengen.
Zwar erhielt Henselmanns Nominierung im Hochschulsenat letztlich doch eine knappe Mehrheit, Adrienne Goehler jedoch zog die Notbremse. „Berufungen können im Dissens vorgenommen werden, nicht aber Ehrungen.“ Mit diesen müsse sich eine Hochschule identizifizieren können, so die Präsidentin gegenüber der taz. Sie habe nach einem Ausweg „jenseits von Glorifizierung und Verteufelung“ gesucht. Die salomonische Lösung: Beim Festakt gestern abend wurde Henselmann nicht geehrt, der Berliner Architekt Hinrich Baller war dennoch aufgefordert, seine vorgesehene Laudatio zu halten, „als Ouvertüre für eine notwendige Diskussion“ (Goehler).
Wie Festredner Baller auf den Hamburger Henselmann-Streit nun im einzelnen eingeht, wollte er der taz gestern nicht verraten. Allerdings meinte er, dem Streit liege eine grundsätzliche Unkenntnis der Möglichkeiten von Architekten zugrunde. Und diese „wahnsinnige Überschätzung“ dessen, welchen Einfluß ein Architekt auf die Entscheidungen eines Souveräns, in diesem Fall also des Staates habe, gebe es überall in der Welt. Auch er wolle nicht an seinen Auftraggebern gemessen werden. Warum eigentlich nicht? Christiane Peitz
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