Alte Fremdenlegionäre und junge Kunst-Studenten

■ Galerie des Kunstvereins »ART-ACKER« zwischen Kiez und Avantgarde

Angefangen hat alles im Konter- oder Revolutionsjahr 1989. Der frischdiplomierte Maler Reiner Görß räumte sein Dresdner Atelier und zog nach Berlin-Mitte, in die Äußere Spandauer Vorstadt. Auf einem dunklen Hinterhof in der Ackerstraße richtete er sich Wohn- und Arbeitsräume ein, malte, bildhauerte, installierte und aktionierte so lange, bis ihn eines Tages Christos Joachimides entdeckte und in den Martin-Gropius-Bau steckte. Heiner Behr, sein Bilderrahmer, der seit mehr als zehn Jahren auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Werkstatt unterhält, hat das Metropolis-Ausstellungsplakat an sein Ladenfenster geklebt. Doch weniger aus Sympathie für die Kunst-Inszenierung des bärtigen Griechen vom »Zeitgeist e.V.«, denn Behr hält es lieber mit den Leuten aus dem Kiez. Und irgendwie gehört auch Görß dazu. Die beiden hatten im Herbst 89 die Idee, Behrs Lagerräume in der ersten Etage der Ackerstraße 18 in ein »Kommunikationszentrum« für anwohnende Handwerker, Hobby- und Edelkünstler auszubauen. Also gründete man eine »Initiativgruppe Ackerstraße«, die in den folgenden Monaten eine Reihe von Ausstellungen organisierte.

Derweil rekonstruierte die KWV langsam aber stetig die Straße hoch und runter, und das bereits seit geraumer Zeit entmietete Haus Nummer 18 lief Gefahr, den kommunizierenden Kiezkünstlern auf dem Sanierungsweg zu entgleiten. Auch von Rückübereignungsanträgen hörte die Initiative. Behr und Görß gingen in die Offensive und luden kunstliebende Anhänger zur Besetzung der leerstehenden Wohnungen. Inzwischen haben die elf neuen Bewohner unbefristete Mietverträge und sind in einem »Künstlerhaus AM ACKER e.V. i. G.« vereint. Die Galerie wiederum betreibt seit Februar 1991 einen »Kunstverein ART—ACKER e.V.i.G.«, der dem Künstlerhaus angegliedert wurde. Behrs Kiezkonzept wurde von den neuen Betreiberinnen um zwei Stränge erweitert. Die drei Frauen, die sich jetzt hauptsächlich um die Ausstellungspolitik von ART-ACKER kümmern, wollen zwar auch weiter die »Bilder von Fremdenlegionären ausstellen, die Behr in der Kneipe trifft«, oder die, »vom Pastor aus der Straße, der irgendwie bei dieser Revolution da mitgemacht hat, in der Zionskirche und so.« Aber diese Kiezkultur mit der jungen Ost- und Westavantgarde, und diese wieder mit sich selber zu konfrontieren, halten sie für ebensowichtig. Also werden in Zukunft auch Künstler aus dem Haus ausstellen oder Leute eingeladen, die zu dieser Konfrontation künstlerisch beitragen können.

Ost und West sind hier ohnehin durcheinandergewürfelt. Antje Löhle, die zusammen mit Agnes Wegner und Nicole Hackert die Galerie betreut, kommt aus dem Norden der DDR, studierte in Leipzig Kunsterziehung, war Künstlerin der Galerie »Eigen+Art«, ging irgendwann nach Hamburg und studiert inzwischen in Berlin Islam-Wissenschaften. Nicole stammt aus Köln und studiert ebenso wie Agnes, die in Rostock aufwuchs, Kunstgeschichte an der Freien Universität. Heute abend eröffnen die drei ihre zweite Ausstellung. Der Hamburger Franz Ackermann, der demnächst als DAAD-Stipendiat nach Hongkong gehen wird, zeigt seine Arbeiten, in denen er Zeichen aus der Waren- und Werbewelt in neue ornamentale Zusammenhänge setzt. a.m.

Franz Ackermann bis zum 12. Juli in der Galerie ART-ACKER, Do., Fr., 14-18 und Sa. 11-14 Uhr, Ausstellungseröffnung heute 20 Uhr in der Ackerstraße 18 in 1040 Berlin.