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SPORTKOLUMNE VON KLAUS NÜSSERWird die Ex-DDR zum unsportlichen Landstrich?

■ Vom zweiten Platz in der Welt ans Ende der Reihe/ Die „Breitensportbewegung“ nippelt ab und verkommt

Wer als DDR-Bürger vor der Wende die Chance hatte, ins „nichtsozialistische Ausland“ zu fahren, wurde dort früher oder später mit der Frage „Wieso kann ein solch kleines Land im Sport so erfolgreich sein?“ konfrontiert.

Heute können alle reisen, aber die Frage wird seltener gestellt, und das nicht nur, weil es die DDR nicht mehr gibt. Es gibt auch den erfolgreichen Sport nicht mehr, so hart muß man das sagen. Dabei denke ich weniger an die Leistungen der Spitzenathleten, denn für sie wurden meist Lösungen gefunden. Heike Drechsler springt immer noch weit über die Sieben-Meter-Marke, Matthias Sammer schießt noch wunderschöne Tore, Olaf Ludwig gewinnt noch Radrennen. Die Grundlagen für deren „Höhenflüge“ wurden aber weit früher gelegt und was da geschah, war das Sportwunder „made in GDR“. Die Siege lassen sich nicht so pauschal allein auf die Doping-Praxis zurückführen, denn sonst wären nun Spitzenweiten und -zeiten nicht mehr da. Es gab Doping, das scheint nach Aussagen Beteiligter der Fall gewesen zu sein, aber es gab andere Ursachen, die keine „Geheimnisse“ waren. Wichtigste Voraussetzung die systemimmanente akribische „Talentfindung“. Das war schon perfekt organisiert, jeder wurde „überprüft“, ob in ihm ein zukünftiger Olympiasieger steckt. Dafür gab es eine gut ausgebildete Crew von Trainern. Und wer nicht „entdeckt“ wurde, hatte zumindest in der Schulsportgemeinschaft die Chance, „außerschulisch“ oder „außerunterrichtlich“ Sport zu treiben. Außerdem standen die Nachwuchsabteilungen der Sportgemeinschaften des DTSB für jeden zur Verfügung. Die Bedingungen waren da zwar nicht die besten, aber billig.

Das gibts heute nicht mehr. Schulsportgemeinschaften sind verschwunden, obwohl da etwa zwei Drittel der Kinder wenigstens zeitweilig mit Sport beschäftigt waren. Talentsichter sind arbeitslos, Mitgliederzahlen in den Vereinen drastisch gesunken. Exakte Zahlen liegen von Berlin vor. In der Stadt treiben nur noch fünf Prozent der Ost-Bevölkerung organisiert Sport. Im Westteil sind es über 20 Prozent. Ähnlich sieht es überall in den neuen Bundesländern aus. Dabei ist Sport, wie es ein Werbespot des DSB so schön will, im Verein am schönsten. Aber an Sport zu denken, dafür haben die Leute eigentlich ob ihrer existentiellen Probleme kaum Zeit. Ähnlich gesunken sind die Zuschauerzahlen bei Sportveranstaltungen, was einiges über den seelischen Zustand der Fans aussagt. Die Eintrittspreise sind zwar zumeist noch erschwinglich, trotzdem kommen zum Fußball nur noch kleckerweise einige Hundert.

Die jetzt laufenden Relegationsspiele, bei denen es darum geht, ob eine Mannschaft aus dem Osten überhaupt noch in einer höheren Klasse spielt, werden nur am Rande registriert. Was den „Breitensport“ angeht, so war der vor der Wende nie so recht spektakulär unterstützt worden, wie der „Spitzensport“ (Profis gabs ja offiziell nicht), aber immer noch besser als derzeit. Obgleich die administrative Verordnung, Sport hält gesund und ist ganz gut für die „Rekonvaleszenz“ der geschädigten und einseitig belasteten „Werktätigen“ fraglich ist — die Betriebe mußten den Sport, ob es ihre Chefs wollten oder nicht, ob es den Betriebsangehörigen zugute kam oder nicht, finanzieren. Das gibt's eben nicht mehr. Auch die Finanzierung der Platzangestellten und Hallenwarte ist ungeklärt, die schon schlechten Sportanlagen verloddern weiter.

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