: Kraft aus der Dose
■ Sportlerdrinks - was sie versprechen, bewirken und halten.
Sportlerdrinks — was sie versprechen, bewirken und halten.
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enn Sie abbauen, baut Isostar sie wieder auf.“ Vollmundig warb der Hersteller des kräfteverheißenden Sportlergetränks — und mußte doch abbauen. Seine überdimensionale Isostar-Dose nämlich, in der beim beim Tennisturnier in Leipzig 1990 der Oberschiri Platz nehmen mußte. Unglücklich lugte die oberste Court-Autorität über den Dosenrand, um sichtlich verunsichert sein „Quiet please“ zu hauchen: ein Häuflein Elend im Rohr. Das gehe entschieden zu weit, urteilte das Fernsehen und zwang den Veranstalter, die alberne Aufmachung zu entfernen.
So wurde noch einmal die Würde des Richters gerettet, doch der nächste Werbegag kommt bestimmt. Denn der Fitneßmarkt für Flüssigkeiten ist eng geworden: Eine Welle von Isodrinks und Spezial-Durstlöscher schwappt über die Sporttreibenden. Vorbei die Zeiten, in denen gemeines Wasser getrunken wurde, um Schweißverlust auszugleichen. Heute gilt: Ein Sportler ohne Isodrink ist wie Seemann Popeye ohne Dosenspinat: ein Waschlappen.
Die Mineraldrinks sind jedoch mehr als nur eine Mode. Selbst der Hamburger Ernährungswissenschaftler Prof. Michael Hamm gibt zu: „Die sogenannten isotonischen Getränke sind im Prinzip schon das Richtige. Sie gewähren durch ihre Zusammensetzung, daß sie bedarfsgerecht im Darm resorbiert werden können.“
Bedarfsgerecht heißt hierbei in erster Linie schnell. Denn besonders bei extremen Ausdauerleistungen verliert der Körper durch den hohen Schweißverlust nicht nur Flüssigkeit, sondern auch große Mengen wichtiger Mineralstoffe. Die Folgen sind Muskelkrämpfe oder Kreislaufschwächen. Tatsächlich können Isodrinks derartige Mangelerscheinungen schnell ausgleichen, da deren Flüssigkeitsdruck dem des menschlichen Bluts sehr ähnlich ist (isoton) und die Bestandteile demzufolge problemlos und prompt aufgenommen werden.
Doch so flutwellenartig, wie die teuren Drinks den Markt überschwemmten, formierten sich auch deren Gegner. Zuviel Minerale, zuviel Salz, zuviel Zucker, zuviel Kohlehydrate und zuviel falsche Versprechungen seien darin enthalten. Der Radrennfahrer Thomas Hartmann probierte verschiedene Getränke aus und war erschüttert: „Ich bekam Magenschmerzen, mir wurde übel, das ging bis hin zum Insulinschock — weil einfach zu viel Zucker in den Drinks ist.“
Irrtum, wettert hingegen der holländische Ernährungswissenschaftler Fred Brouns gegen diese Art von „pseudowissenschaftlichem Irrglauben“. Seine in der Fachzeitschrift „Leistungssport“ veröffentlichte Untersuchung soll belegen, daß kohlehydrathaltige Elektrolytgetränke sogar optimal für aktive Sportler seien. Der Salzgehalt der gängigen Produkte entspreche der Menge, die durch den Schweiß verloren gehe, analysierte Brouns. Positiv hinzu kämen jedoch die Mineralstoffe wie Kalium, Calcium und Magnesium. Eine Überdosierung auch von Vitaminen sei praktisch nicht möglich, da diese wasserlöslich und dadurch leicht über den Urin ausscheidbar seien. Brouns Loblied auf die Drinks (besonders einer bestimmten Marke) läßt allerdings den Verdacht keimen, daß seine Untersuchung nicht ganz so objektiv erstellt worden war. Dennoch kommt er, wenn auch sichtlich unwillig, nicht umhin, daß eine Mischung aus Fruchtsaft und Mineralwasser im Verhältnis eins zu vier bei Hinzugabe von zwei Gramm Kochsalz pro Liter ähnlich zweckreich wäre.
Genau betrachtet sind die Wundercoctails nur für Leistungssportler mit hoher Ausdauerbelastung wirklich sinnvoll. Matthias Mellinghaus, Ruder-Olympiasieger von Seoul: „Im Sommertraining, wenn wir wirklich geknüppelt haben, hat jeder von uns fünf bis sechs Liter Schweiß verloren. Das kannst du mit normaler Nahrung nicht ausgleichen. Da brauchst du Konzentrate. Als es die Drinks noch nicht gab, hatte ich oft Krämpfe, weil mir Mineralstoffe fehlten.“
Dagegen wirkt der halbe Liter Schweiß, den Freizeitsportler transpirieren, eher lächerlich. Bei diesem Verlust kommt ein jeder mit Fruchsaftschorle und magnesiumreichem Wasser gut über die Joggingrunden. Und macht man wirklich mal schlapp, so liegt das meist an der mangelnden Kondition. Training jedoch kann kein Iso-Drink der Welt ersetzten. Wirklich schaden tun sie jedoch auch nicht.
Eine revolutionäre Entdeckung haben wir hingegen dem selbstlos recherchierenden Ruder-Olympiasieger zu verdanken. Ein Untersuchungsergebnis, das als Meilenstein in die Geschichte der Absatzförderung der Iso-Drinks eingehen wird. Mellinghaus: „Nach einem ordentlichen Trinkgelage gibt's einfach nichts Besseres. Mineraldrinks sind das beste Mittel gegen einen Kater und einen dicken Brummschädel. Denn wenn man viel Bier trinkt, muß man oft aufs Klo und verliert viele Mineralstoffe. Dagegen helfen Isodrinks — voll gut, sag ich.“ Michaela Schießl
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