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Pseudo-Informationen und Postenkarussell

■ Eindrücke vom NRW-Medienforum: Die Medienfachtagung der NRW-Staatskanzlei brachte wenig Neues

Immer mehr, immer langweiliger, immer überflüssiger. So läßt sich das dritte NRW-Medienforum grob charakterisieren. Zwar ist es der NRW- Staatskanzlei in kürzester Zeit gelungen, mit dieser Veranstaltung den „Münchener Medientagen“ den Rang abzulaufen, doch das öffentliche Interesse, das das Forum auf sich zieht, ähnelt der Reaktion auf des Kaisers neue Kleider — nur, daß da nicht irgendwann ein naseweises Balg vorbeigerannt kommt und den beteiligten Jubelpersern aus den — vor allem regionalen — Medien den Schleier von den Augen reißt.

Die Branche hat längst nüchtern erkannt, was ihr das Medienforum bringt: Das Fachblatt 'Medien-Bulletin‘ fragte im Vorfeld der Kölner Veranstaltung die Szene: Wer geht hin? Fifty-fifty pro und contra waren die Stimmen, und die Gründe waren ganz profan: „Die Themen sind nicht so bewegend, daß man ein oder zwei Tage opfern müßte“, so Harald Jossé, Geschäftsführer vom hessischen Privatsender Radio FFH. Dagegen urteilt Wolfgang Groß von Taunus Film in Wiesbaden ganz offen: „Das Medienforum NRW ist eine Veranstaltung, bei der ein Filmproduzent heute sein muß, um erstens die Kollegen zu treffen, mit denen er nachher auch die Geschäfte macht, und zweitens um sich zu informieren, wie die weitere Entwicklung aussehen wird.“ Auf den Film bezogen mochte das noch ein wenig stimmen, weil NRW mit seiner gerade tätig gewordenen Filmstiftung eine neue und gut dotierte Chance zum Anzapfen von Geldquellen bietet. Doch letztendlich war auch für die Filmschaffenden der Arbeitskreis über nationale und europäische Filmförderung der zigste Aufguß des wenig gleichen Wanderzirkus bestimmter (in diesem Fall: Filmförderungs-) Funktionäre, die sich alle paar Wochen auf anderen Veranstaltungen wiedertreffen und sich nichts Neues zu sagen haben.

Kaum anders sah die Situation beim Themenkomplex Rundfunk aus. Eine vor Wochen von NRW-Staatskanzleiminister Clement angekündigte „programmatische Rede“ von Johannes Rau brachte lediglich die Erkenntnis, welchen Vorschlag zur Rundfunkgebührenerhöhung der Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes favorisierte. Rau vertritt die Ansicht, die Gebühren um fünf Mark anzuheben, dafür aber eine Werbezeitenausweitung der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu vermeiden. Das Problem nur: Bruder Johannes ist nur einer von 16 Landesvätern, auch wenn er 25 Prozent der BundesbürgerInnen vertritt. eine endgültige Entscheidung wollen die Ministerpräsidenten erst am 4.Juli treffen.

Das, was noch vor einem Jahr das Medienforum prägte, nämlich die Auseinandersetzung mit dem nordrhein-westfälischen Rundfunkmodell, ist inzwischen auch ziemlich uninteressant geworden. Das Modell ist aus Karlsruhe abgesegnet worden und es funktioniert ganz leidlich. Das Experiment 15 Prozent Bürgerfunk lockt keinen Profi mehr hinter dem Ofen hervor, wenn er nicht gerade von den Organisatoren des Medienforums als Referent mit einem wohlwollenden Honorar bedacht wird.

Die Chefredakteure der Lokalradios geben sich aus ganz anderen Gründen ein Stelldichein: Das Postenkarussell dreht sich wie wild. So mancher hat in der einen Lokalstation angefangen und ist jetzt in der anderen Chefredakteur geworden. Der Markt an auch nur mäßig ausgebildeten Radioplauderern ist leergefegt und nun wird Jagd gemacht auf die paar Leute, die sich in nur einem Jahr vom Radio-Nobody zum Infotainer entwickelt haben.

Was soll's: Mehr als 1.000 möchtegern-wichtige Menschen haben sich zwei Tage lang beköstigen lassen, sich zugedröhnt mit Pseudo-Informationen und sich ein wenig auf dem Laufenden gehalten — denn das ist das wichtigste fürs Geschäft. 1,5 MillionenDM, so um die Ecke, war es der Landesregierung NRW wert. Als ob sie das Geld nicht sinnvoller hätte verwenden können.

Doch halt! Der Düsseldorfer Staatskanzlei darf man doch wenigsten für eine neue Form politischer Redlichkeit danken: Sie gab wenigstens schon im Programmheft zu, daß sie sich hat korrumpieren — Verzeihung! — die politische Veranstaltung „Medienforum NRW“ finanziell hat sponsern lassen, und zwar von Bertelsmann und Mercedes Benz. Jürgen Bischoff

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