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Götterdämmerung

■ Der Kampf um den Abstieg und die UEFA-Cup-Plätze

Berlin (dpa/taz) — Heimlich geahnt haben wir es schon, aber recht dran glauben wollte niemand: St. Pauli, das heilige Millerntorteam, muß heftig gegen den Abstieg kämpfen. Dabei waren vor dem Schicksalsspiel in Dortmund gar die hanseatischen Luftgötter gerufen worden. Jeder Hamburger Spieler hatte bereits ein Flugticket gen Süden in der Tasche. Doch die Dortmunder waren gnadenlos. 5:2 kämpften sie die Paulianer nieder, die im Westfalenstadion zu allem Unglück auf sechs Stammspieler verzichten mußten und stürzten die Hamburger in die Relegationsrunde gegen den Zweitligadritten, der praktisch Stuttgarter Kickers heißen wird.

Pauli-Trainer Horst Wohlers aber tat nach dem Spiel, als sei alles wie immer: „Mit unseren tollen Fans im Rücken sollten wir am Mittwoch am Millerntor den Grundstein zum Klassenverbleib legen. Normalerweise müßten wir es schaffen.“ Viel Zweckoptimismus nach einem verkorksten Spiel, in dem sich auch noch Abwehrchef Kocian die Leiste aufriß. Die Dortmunder Puschner, Rummenigge, Povlsen und Wegman hingegen schoßen und trafen nach Belieben. Einzig Gohlke und Ottens bäumten sich auf und hielten die verdiente Niederlage im erträglichem Rahmen. „Wir hatten überhaupt keine Chance. Borussia hat uns die Grenzen aufgezeigt“, gestand Wohlers hinterher kleinlaut.

Die Nürnberger, ebenfalls von der Relegation bedroht, zogen sich mit einem wirkungsvolleren Zauber als Pauli aus der Abstiegsaffäre: Sie ließen eine fränkisch aufgemotzten Hexe ums Wattenscheider Stadion magischen Kreise um die Clubfahne ziehen. Ergebnis: Nürnbergs Hans Dorfner schoß völlig losgelöst seine Burschen in der sechsten Minute mit 1:0 gegen Wattenscheid zum Klassenerhalt.

Enthemmt gejubelt wurde auch in Frankfurt, vor allem wegen eines Mannes: Uwe Bein. Der Mittelfeldstar dirigierte sein Team karajanartig zum 4:0-Sieg im UEFA- Cup-Duell gegen den VfB Stuttgart. Die Tore von Möller (26.), Studer (45.) und Yeboah hatten ihren Ausgangspunkt bei dem Filigrantechniker. Beim vierte Tor haute Bein selbst auf die Pauke zum 4:0 und besiegelte die UEFA-Cup- Teilnahme. Überraschenderweise hatten die Stuttgarter selbst nach Frontzecks Platzverweis keine Chance. Schreitrainer Christoph Daum machte dafür Diskussionen mit dem Schiedsrichter verantwortlich, die zu Konzentrationsschwächen seiner sonst Unschlagbaren führten.

Den besonders von Volkert heiß ersehnten UEFA-Cup-Platz hatte der Hamburger SV schon vor dem mühevolle 2:2 gegen den Karlsruher SC sicher. Gerd-Volker Schock und seine Mannschaft — mit 25.000 D-Mark Prämie pro Kopf honoriert — haben mit der Rückkehr in den Kreis der Spitzenklasse mehr erreicht, als ihnen alle bis auf Manager Volkert zutrauen wollten. So waren letztendlich auch die Fans ganz außer Rand und Band, bewarfen Polizisten mit Steinen, kämpften mit Platzordner um Eckfahnen und vernichteten ein Tor. Coach Schock schien schon vor dem Spiel übermütig: Weil Ballwanz verletzt war, zitierte er den bereits ruhiggestellten Manni Kalz auf den Rasen. Der aber ließ sich nicht zitieren, erschien nicht und soll nun, so Schock mißgünstig, zum verdienten Ruhestand 5.000 D-Mark Strafe zahlen. Der 38jährige wütend: „So nicht. Das sag' ich Volkert!“ miß

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