: High-Tech machts möglich-betr.: "Konsens statt Konfrontation" von Heiner Geißler, taz vom 15.5.91
„Konsens statt Konfrontation“ von Heiner Geißler,
taz vom 15.5.91
„High-Tech“ als Indikator des Entwicklungsniveaus des Fortschritts einer Gesellschaft erfreut sich wachsender Begeisterung. Kommunikation versteht sich nicht mehr als Verständigung zwischen Menschen, sondern assoziiert technische Informations- und Speicherkapazitäten, die Raum und Zeit überwinden — es möglich machen, neue Welten zu entdecken. Ob Flüge ins All, ob Lösung internationaler Konflikte, ob Trennung von Parlament und Regierung? Keine Frage! High-Tech machts möglich. Heiner Geißler kann über die „kommunikations- und mobilitätspolitischen Bedenkenträger im High-Tech-Land Bundesrepublik nur den Kopf schütteln“.
Und tatsächlich können sich die bisherigen gloablen Leistungen von High-Tech sehen lassen: Lösung der weltweiten Ernährungsprobleme, Beseitigung globaler Umweltkatastrophen, Schlichtung regionaler und ethnischer Konflikte Durchsetzung einer gerechten „New World Order“ mittels High-Tech (vergleiche Golfkrieg). Warum sollte angesichts dieser Erfolgsbilanz es nicht mgölich sein, den ohnehin schon engen Kontakt von Regierung und Parlament trotz einer räumlichen Trennung via High-Tech aufrechtzuerhalten? Denn, so Geißler, wir „leben schließlich an der Schwelle zum dritten Jahrtausend und nicht in der Saurierzeit.“ Komisch, daß ich darauf nicht selbst gekommen bin? Stefan Bratzel, (West-)Berlin
Herrlich, Heiner Geißler als Kommentator in der tageszeitung. Das ist doch mal innovativ.
Die Begründung für eine Trennung der Elemente nach Berlin und Bonn allerdings ist mehr als dürftig. Geißler legt gut und einleuchtend dar, warum und wie es geht und belegt dies mit unseren Freunden,den Amerikanern — wer kann dazu schon nein sagen? Allerdings baut er doch einen Großteil seiner Argumentation auf der Machbarkeit auf. Machbar ist noch eine ganze Menge mehr, es bleibt die Frage, ob dies denn sinnvoll ist.
Es ist, denn der Zentralisierungsgedanke ist eigentlich zu archaisch, als daß er ausschlaggebend sein könnte für Deutschland als ein Land, das sich an der Schwelle zum Jahrtausend zu orientieren hat. Hauptstadt etwa als Machtsymbol dem feindlich gesonnenen Ausland gegenüber, sollte jedenfalls nicht mehr nötig sein. Hautstadt als militärisches Machtzentrum ebensowenig. Frankfurt als Bankenzentrum und Karlsruhe als Sitz des Bundesgerichtshofes bilden ja schon Gegenpole zur Hauptstadt. Warum also nicht in einer Gesellschaft die sich —mag man es gutheißen oder nicht— europäisch, dezentral orientiert, auch weitermachen mit der Verlagerung von Aufgaben, Möglichkeiten und Verantwortung? Sebastian Lovens, Duisburg
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