piwik no script img

Noch mehr Siedler ins besetzte Land

Zahl der israelischen Siedler in den besetzten Gebieten soll sich verzehnfachen/ „Peace Now“ berichtet von fast 30.000 geplanten Häusern/ Politik auf Kosten der Armen und Neueinwanderer  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Nach Erkenntnissen der israelischen Bürgerbewegung „Peace Now“ plant das israelische Wohnungsbauministerium, fast 30.000 weitere Unterkünfte für jüdische Siedler in den besetzten Gebieten zu errichten. Wie die Organisation am Sonntag verbreitete, plant das von Ariel Sharon geführte Ministerium 16.100 neue Unterkünfte in Siedlungen bei Hebron in der Westbank zu errichten, sowie 13.550 Wohnungen für Siedler im Gazastreifen. Das Büro Ariel Sharon reagierte auf die Bekanntmachung von Peace Nowmit der Bemerkung: „Wir stellen mit Bedauern fest, daß diese Zahlen übertrieben sind.“

Peace Now befürchtet, daß das Bauprogramm des Sharon-Ministeriums es ermöglicht, die Zahl der israelischen Siedler in den besetzten Gebieten zu verzehnfachen. In den Plänen des Ministeriums tauchen fünf neue Siedlungen auf, Ziv, Sansana, Jiriot, Assahel und Jehonadev, deren Finanzierung aber noch nicht gesichtert ist.

Erst vor kurzem hatte das Ministerium ein Defizit von 1,5 Milliarden Shekeln beklagt. Peace Now befürchtet, daß die Gelder aus Ressourcen für die Integration von Neueinwanderern und der Sozialfürsorge für sogenannte „Entwicklungsstädte“ im Süden und Norden Israels abgezweigt werden sollen. Die Organisation kündigte dagegen Protestaktionen gemeinsam mit Bewohnern der betroffenen Städte und aus Armenvierteln an. Die für Siedlungsprojekte verplanten Milliarden sollten nach ihrer Ansicht den vielen notleidenden Familien in Israel zugute kommen.

Peace Now hat einen Plan ausgearbeitet, der bis zum Jahresende zu einem De-facto-Stopp der Bautätigkeiten in den besetzten Gebieten führen soll. Die Bürgerorganisation will durch öffentlichen Druck die israelische Regierung zur Einstellung der Siedlungstätigkeiten in der Westbank und im Gazastreifen zwingen. Die Argumente der Organisation sind sowohl politischer als auch wirtschaftlicher Natur: Israel könne es sich nicht leisten, enorme Geldsummen in den besetzten Gebieten zu investieren, während sie die Integration von Neueinwanderern nicht finanzieren könne. Gleichzeitig weist Peace Now darauf hin, daß die Siedlungspolitik jede friedliche Lösung mit Israels arabischen Nachbarn unmöglich mache, was wiederum eine Steigerung der Sicherheitsausgaben zur Folge hätte. Nach Ansicht der Organisation wird die Lage in den besetzten Gebieten innerhalb der nächsten zwei Jahre irreversibel werden, also praktisch zur Annexion führen.

Peace Now stellt fest, daß die israelische Regierung mit großem Widerstand in Washington bei der Bewilligung von 10 Milliarden Dollar für die Integration jüdischer Neueinwanderer rechnen müsse, wenn sie die demonstrativ-provokative Siedlungstätigkeit in den besetzten Gebieten nicht einstelle. Der israelische Regierungssprecher Avi Pazner hatte am Sonntag gegenüber einem französischen Rundfunksender erklärt, Israel würde sich durch amerikanische Wirtschaftssanktionen „nicht beeindrucken“ lassen. Er könne sich nicht vorstellen, daß die USA den „Fehler“ begingen, derartige Sanktionen zu verhängen. Bisher hätten die Amerikaner nie wirtschaftlichen Druck auf Israel ausgeübt, da sie wüßten, daß solche Pressionen „nicht produktiv“ seien. Gleichzeitig bestritt der israelische Regierungssprecher, daß die Siedlungspolitik den Frieden bedrohe. „Die Juden haben das gleiche Recht, in Judäa-Samaria (Westbank — Anm. d. Red.) zu leben, wie in Paris oder Marseille betonte er.

Peace Now will eine Million Shekel in Israel und Amerika sammeln, um ihre eigene Kampagne gegen die Siedlungspolitik zu finanzieren.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen