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Illegalen Prostituierten geht's schlechter

Das neue AusländerInnengesetz hat besonders die Situation von Frauen verschärft, die durch Schlepperorganisationen oder Heiratshändler in die BRD gelockt wurden/ Agisra fordert mehr Schutz  ■ Aus Frankfurt Gitta Düperthal

60 Prozent der Frankfurter Prostituierten sind Ausländerinnen. „Ihr Leid im Herkunftsland ist so groß, daß sie sich mutig auf den Weg machen — in's Ungewisse. Sie sind keine Opfer, sondern sie kämpfen sich durch. Die Nachfrage im Milieu ist groß“, so Hanna Aman, Pressereferentin von Agisra (Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung), die eingeladen hatte, um über die Auswirkungen des neuen AusländerInnengesetzes für vom Frauenhandel Betroffene zu informieren.

Der größte Teil der Frauen wird von Schlepperorganisationen mit falschen Versprechungen in die BRD gelockt. Die Herkunftsländer: Lateinamerika, Thailand, Afrika und Osteuropa. Die meisten leben illegal hier und sind bei jeder Razzia von Abschiebung bedroht. Das seit Januar gültige AusländerInnengesetz hat die Situation der „gehandelten“ Frauen erheblich verschärft: Humanitäre Regelungen für Härtefälle, die einen Aufschub bewirken, sind gestrichen. Sobald seine Frau schwanger wird, verunglückt oder ernstlich krank wird, muß sie zwangsläufig aus der Illegalität auftauchen.

Eine Prostituierte, die wegen Bauchkrämpfen ins Krankenhaus eingeliefert wurde, konnte ihre Rechnung von 2.500Mark nicht bezahlen. Im Krankenhaus drohte man ihr mit der Ausländerbehörde. Ein sofortiger Ausweisunggrund. „Die Frau kann jetzt direkt vom Krankenbett abgeschoben werden“, schilderte eine der Anwesenden das Elend. Die Patientin verließ trotz ungeklärtem Krankheitsbild die Klinik fluchtartig und tauchte wieder unter. „Die Schlepper sind mit der verschärften Abschiebepraxis zufrieden. Sie bekommen immer wieder neue Frauen, sogenanntes Frischfleisch,“ erzählt Hannah Aman.

Abschiebungsgrund: Sozialhilfe

Illegal bleibt illegal. Denn eine fünf Jahre lang ununterbrochene sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist nun mal im Prostitutionsgewerbe nicht üblich. Bisher haben viele Prostituierte ihren Aufenthalt über eine Heirat legalisiert. Auch das ist schwieriger geworden. Antje Becker, Rechtsanwältin, steht bei der Beratung der Frauen vor „neuen Hürden“: Selbst die unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die nach drei Jahren „Ehe“ erworben werden kann, wird sofort wieder aufgehoben, wenn Sozialhilfe oder Arbeitslosenhilfe beantragt wird. Das Gestz besagt, daß „die Familie“ ihren Unterhalt aus „eigener Kraft und Initiative“ bestreiten muß. Die Anwältin hält eine Abschiebung der Frauen aus wirtschaftlichen Gründen für verfassungswidrig, denn Artikel sechs des Grundgesetzes garantiert den Schutz der Familie. Eine weitere neue Auflage sei wegen der Frankfurter Wohnungsnot kaum zu erfüllen: „ausreichender“ Wohnraum (zehn bis zwölf Quadratmeter pro Person) muß nachgewiesen werden. Und über die neue Visaregelung — das Visum nach einer Heirat in der Bundesrepublik ist nur in der deutschen Botschaft im Heimatland erhältlich — ist die Anwältin empört: „Davon profitieren allein die Fluggesellschaften.“

Nur ein scheinbarer Fortschritt für Prostituierte und auf dem Heiratsmarkt gehandelte Frauen ist das neue „eigenständige Aufenthaltsrecht“. Wenn die „Ehe“ schief geht, kann die Frau dieses Recht nach vier Jahren — im Härtefall bereits nach drei — geltend machen. Doch das wird durch die ökonomische Misere der meisten Prostituierten zunichte gemacht wird. Sie vedienen mit 30Mark pro Freier, davon acht am Tag, gerade soviel, um die anfallenden Kosten zu bezahlen — die Miete im Bordell, Hygieneartikel, Verhütungsmittel, das Trinkgeld für den Wirtschafter, damit er auch wirklich kommt, wenn die „Notklingel“ betätigt wird. Die angeblich sozialere Regelung verhindert so den Ausweisungsgrund „Sozialhilfe“ nicht.

Angst vor mehr Schnüffeleien

Um so abhängiger sind die Frauen von ihren „Ehemännern“, häufig Zuhälter oder Freier. Selbst Agisra muß den Frauen derzeit raten, mindestens drei Ehejahre — häufig mit Mißhandlungen und Vergewaltigung verknüpft — auszuhalten. Und nicht nur Antje Becker vermutet, daß die Schnüffeleien von Seiten der Ausländerbehörden zunehmen werden, wie Fragen bei NachbarInnen: „Habt ihr denn hier schon mal ein fremdländisches Gesicht gesehen?“ Die Frauen der Frankfurter Frauenprojekte, zu deren Arbeit die Betreuung der Prostituierten gehört, sehen sich ob der verschärften Situation gezwungen, „ein engeres Netz zum Schutz der Frauen zu knüpfen“.

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