Klangkeule im Exkarzer

■ Zur Feier des 1. Bauabschnitts: Neue Kunsthochschul-Filiale im „Alten Gymnasium“ mit Klang und Video beatmet

Performance in der Dechanatstraße: Annette Weisser als Sandwich-FüllungFoto: Christian Nusch

Ein schwarzer enger Gang, sanftes Gefälle, einige Treppenstufen hinab ins Kellergewölb, fernes Tosen. Aus der Tiefe der Finsternis kommt ein Lichtlein herangefahren, eine Kerze auf Märklineisenbahn, Spur N. Der kinetische Ausstellungsführer. Folgen wir dem Licht, tun sich uns Klangräume auf, in denen die skurrilsten Videoinstallationen zu entdecken sind.

Z.B. diese: Auf einem kinetischen Objet, einer Art schaukelnden Baggerschaufel (Knut Eckstein), ist ein Überwachungsmonitor befestigt, der seinerseits eine Schaukelsituation aus dem Nebenraum abbildet, wo eine Kamera schaukelt. Dazu Klangkas

kaden von irgendwo.

Klangwanderung. Was sich im Keller des ehemals altehrwürdigen „Alten Gymnasiums“ in der Dechanatstraße als Erlebnis für mehrere Sinne anbietet, ist Teil einer raumgreifenden, multimedialen Ausstellung von KunsthochschulstudentInnen. Sie feiern damit einerseits den Abschluß eines aufwendigen interdisziplinären Projekts mit den Gastdozenten Hans-Joachim Hespos (Komponist) und Maria Vedder (Videokünstlerin und Fachbuchautorin). Andererseits wird der erste Bauabschnitt des AG-Umbaus zur Dependance der HfK bejubelt, der jetzt fertiggestellt ist.

Offizielles hermetisches

Thema der Ausstellung: Doch lassen sie sich im allgemeinen auf wenige Grundtypen zurückführen. taPe it. Inoffizielles Thema: „Atmen“. Einer der Kellerräume, die vermutlich unlängst noch als Karzer genutzt und bald Proberäume für MusikerInnen, quält den Besucher mit digitalem Rückkopplungsgekreisch einer Violine, die sich auf einem Monitor „atmend“ räkelt. Beim fluchtartigen Verlassen des Raumes wird man in der Tür noch von einem herabstürzenden Infrakrach erwischt (Uli Bösking). Und hat es sich doch selbst eingebrockt: An vielen Punkten der Kellerinstallation sind Sensoren verborgen, die die Ereignisse erst auslösen.

Innige Mischung und gegenseitige Ergänzung (Überlagerung, Konfrontation) von optischen und akustischen Reizen machen diese Ausstellung aus, an der Hans-Joachim Hespos und Maria Vedder mit einem knappen Dutzend StudentInnen bald ein Jahr lang gearbeitet haben. Im Foyer der fertiggestellten „AG“- Hälfte, wo jetzt MalerInnen, ArchitektInnen, KostümbildnerInnen und eine Videowerkstatt heimisch werden (in die andere Hälfte zieht gemäß Zeitplan im Herbst die Musikhochschule), versammeln sich weitere Ausstellungsteile: Ein Wort-Wechsel zum Beispiel, zwischen mehreren Monitoren, auf denen absurde Handlungen zu sehen und eigenartige Texte (Andrej Glusgold) zu hören sind.

Ein interaktiver Computerguide ermöglicht es werten usern, an verschiedenen Bildschirmen, die mouse fest im Griff, sich durch ein abstruses, allerdings im Innersten zutiefst logisch aufgebautes Labyrinth von organischen Funktionen und Kunsträumen zu tasten (Gustavo Eckhoff, Tom Flemming, Matthias Berg, stud. arch. bzw. graph.).

Mittwoch abend war — privatissime! — uneigentliche Eröffnung der Ausstellung (eigentliche Eröffnung gestern) mit einer Performance von Annette Weisser, die nackt bis auf ein zugeschnittenes „Sandwich“ (Abt. Mode!) als „Pandora“ eine Treppe aus Monitoren herabzuschweben versucht. (Es flimmern die Dosenübel der Menschheit, Natterngezücht usf.) Ein privatissimum für den Freundeskreis der HfK (160 Mitglieder), der via Auktion von Studenten- und Professorenkunst um Unterstützung angegangen wurde. Hat sich die Akademie doch soeben einen 12.000 DM teuren VW-Bus geleistet. 4.500 Mark kamen rein.

„Frische“ entdeckt HfK-Chef Jürgen Waller im interdisziplinären Projekt im „AG“; Experiment sei nicht mehr angesagt heute, in Sonderheit da das Kollegium „ein Greisenverein“ sei; Devise: „Aus der Sicherheit rausstoßen! „ Lernerfolg macht Maria Vedder besonders in der langen Konzeptionsphase aus. Der künstlerische Prozeß spielt sich heute nicht mehr zwischen Pinsel und Leinwand ab: „Es passiert im Kopf“.

Das Ergebnis der Arbeit, so Vedder, beruhe auf 80% Teamarbeit. Ohne professorale Vorgaben. Aber mit knallharter Kritik, wo nötig. So waren für den Keller „sumpfige Klänge“ ausgemacht, die Studenten klebten aber an der Orgel. Hespos' Veto: „Die Orgel bleibt in der Kirche, die brauchbaren Geräusche kommen in den Keller.“ Burkhard Straßmann

Ausstellung bis Samstag, 11-23 Uhr; Sa. 20 Uhr noch einmal die Performance.