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FAB zensiert schwule Schwänze

■ Kabelrat stößt sich am Genital/ FAB-Chef erlaubt nur noch »inhaltlich notwendige Schwänze«/ Totale Schwanzsperre tagsüber/ Schwule Identifikationsfiguren und Coming-out-Hilfe für Jugendliche

Berlin. An den Schwänzen scheiden sich die Geister. Ein milchiger Zensurbalken trübte am vergangenen Freitag das Sehvergnügen an der Sendung des Ersten Deutschen Schwulen Fernsehens Andersrum. »Freiwillige Selbstkontrolle durch FAB«, erläuterte ein eingeblendeter Untertitel die Programmbeschneidung. Noch am Abend zuvor war die Sendung unzensiert durchs Kabel geflimmert: Passend zur Berichterstattung über eine schwule Sauna präsentierten die Macher des nicht nur bei Schwulen beliebten Fernsehmagazins mehrere Erotik-Clips — mit freiem Blick auf die kleinen Unterschiede.

Die durchweg schlaffen Schwänze sind für Paul Stutenbäumer, Vorstandsvorsitzender des »Fernsehens aus Berlin« (FAB), ein allzu hartes Brot: »Die Sendung muß kinder- und jugendgerecht sein, da sie innerhalb der dreistündigen FAB- Sendeschleife am Freitag und Samstag auch nachmittags zu sehen ist.« Stutenbäumer wünscht sich die männlichen Genitale deshalb nur noch dort, »wo sie inhaltlich notwendig sind«.

Außerhalb der Nachtzeit will der Chef von »Fernsehen aus Berlin« überhaupt »keine solchen Szenen mehr«. Für die Tagesausstrahlung verlangt er vom Schwulen Fernsehen eine entschärfte Sendeversion »völlig ohne Schwänze«. Gänzlich in die Nacht möchte Stutenbäumer die zugkräftigste Produktion seines Senders jedoch nicht verbannen: »Gerade bei der momentanen antischwulen Stimmung in der Stadt ist die Tagesausstrahlung wichtig.«

Hintergrund der Erregung sind mehrere »Winke mit dem Zaunpfahl« seitens des Berliner Kabelrates, verrät FAB-Pressesprecher Ernst Meier. Besonders ein Mitglied der honorigen Fünferrunde habe an den Schwänzen schwer zu schlucken: »Unmöglich, das kann nicht im Nachmittagsprogramm laufen. Was ist denn mit den 12- und 13jährigen«, zitiert Ingeborg Ludwig, Rechtsreferentin beim Kabelrat, die Vorbehalte aus dem Gremium, das FAB gegebenenfalls die Sendelizenz entziehen könnte.

»Doch wir schwingen bisher auf keinen Fall die große Keule der Beanstandung«, beschwichtigt Ingeborg Ludwig. Lediglich unterhalb der »Ebene der Programmaufsicht« habe man der Redaktion von Andersrum in einem informellen Gespräch geraten, mehr an die »kind- und jugendgerechte Aufbereitung« des Programms zu denken. »Zwei oder drei Schwänze sind für uns nicht automatisch jugendgefährdend«, versichert die Rechtsreferentin Ingeborg Ludwig.

»Schwänze sind ein Stück schwules Leben«, meint André Kraft, Produktionsleiter von Andersum. Nackte Frauen sehe man überall, und darüber rege sich niemand auf. »Pornographie wollen wir nicht zeigen«, garantiert Kraft. Aber auf die Erotik- Clips wolle das Magazin nicht verzichten.

Um die Tagesausstrahlung beizubehalten, wollen die Macher von Andersrum zur Not ihre Schwänze einziehen — zumindest zur Tageszeit: »Wir bieten Kindern und Jugendlichen erstmals schwule Identifikationsfiguren im Nachmittagsprogramm.«

»Das muß so bleiben. Die Coming-out-Hilfe ist eine der Hauptaufgaben von Andersrum«, sagt Produktionsleiter Kraft. Die schwanzlose Fernseh-Tagessendung möchte er nicht einfach kürzen, sondern an den Stellen des Anstoßes »überkleben«, am liebsten mit rosa Winkeln. Kraft: »Das ist auch ein politisches Statement.« Marc Fest

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