Kirchenstreit um Paragraph 218

■ Evangelische Kirchen uneins über Bestrafung von Schwangerschaftsabbrüchen/ Gemeinsame Erklärung

Berlin (taz) — Der Ausschuß war paritätisch mit Frauen und Männer besetzt und sollte eine gemeinsame Position der evangelischen Kirchen in Ost und West zum Schwangerschaftsabbruch erarbeiten. Doch beim strittigen Punkt Strafrecht blieb die ostdeutsche Kirche standfest: „Über die konkrete rechtliche Gestaltung bestehen unter uns unterschiedliche, ja gegensätzliche Auffassungen“, heißt es freimütig in der gemeinsamen Erklärung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und dem Bund der evangelischen Kirchen der ehemaligen DDR. Ende Juni löst sich der ostdeutsche Kirchenbund auf und tritt der EKD bei, da sollten vor der ersten gesamtdeutschen Synode mögliche Streitpunkte vorab geklärt werden. Die BKD hatte zwar die praktische Handhabung der Fristenregelung in der DDR kritisiert, sich aber gegen die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und den Paragraphen 218 ausgesprochen. In den Führungspositionen der EKD wird dagegen das westdeutsche Indikationenmodell favorisiert. Jetzt heißt es, die Rechtsordnung habe den Schwangerschaftsabbruch zwar zu mißbilligen, aber dies könne „in verschiedener Weise rechtlich zum Ausdruck gebracht werden“.

Die jetzt vorgelegte Erklärung betont auf der einen Seite den Lebensschutz — ein „Recht auf Schwangerschaftsabbruch“ könne es nicht geben, da Abtreibung „Tötung menschlichen Lebens“ sei —, gleichzeitig wird jedoch festgehalten, daß materielle und soziale Lebensbedingungen eine erhebliche Rolle bei der Entscheidung für oder gegen eine Abtreibung spielen. Die Handschrift der ostdeutschen VertreterInnen wird vor allem deutlich in dem Eintreten für die Frauen in den neuen Ländern: „Soziale Unsicherheit erschwert das Ja zu einem Kind.“ Die Kirchen fordern eine umfassende Familien- und Frauenpolitik sowie die „kostengünstige Vergabe“ von Verhütungsmittel. Helga Lukoschat