: KSZE für die Einheit Jugoslawiens
■ „Resolution zur Krise Jugoslawiens“ fordert Fortsetzung des Dialogs zwischen den Republiken
Kann die KSZE dabei helfen, den drohenden Zerfall Jugoslawiens aufzuhalten? Der Rat der KSZE-Außenminister ist dieser Meinung. Seine „Erklärung zur Situation in Jugoslawien“ unterstützt die Position der jugoslawischen Bundesregierung, an der Einheit des Staates festzuhalten. Es fielen keine Namen. Aber Slowenien, Kroatien und Serbien konnten sich durch die Feststellung angesprochen fühlen, daß die „Möglichkeiten für einen Dialog noch nicht erschöpft sind“ und die „konstitutionellen Streitigkeiten“ durch Verhandlungen beigelegt werden können und sollen. Unzweideutig forderte die Erklärung dazu auf, die Menschenrechte einschließlich der Rechte der Minderheiten zu achten. Italiens Außenminister de Michelis feierte die Resolution als einen Markstein im KSZE-Prozeß. Die EG-Position, wonach das Gelingen der Reform in Jugoslawien an den Fortbestand gemeinschaftlicher Institutionen und eines gemeinsamen Marktes gebunden sei, habe sich durchgesetzt. De Michelis, der die Jugoslawienpolitik der „Hexagonale“ wie die der EG wesentlich bestimmt hat, stellte der taz gegenüber allerdings klar: „Ohne neue, demokratische Strukturen kann die Einheit Jugoslawiens nicht aufrecht erhalten werden.“ Er hat nichts gegen eine Unabhängigkeitserklärung Kroatiens und Sloweniens — wenn sie „intern“ erfolgt. Sie könnte dann sogar Motor des Verständigungsprozesses sein. Ein Austritt aus der Union allerdings würde dem „Geist“ des KSZE-Prozesses widersprechen. Nach de Michelis wird die Resolution der Außenminister in den Republiken Jugoslawiens nicht auf taube Ohren treffen. Eine Feststellung, die angesichts der Geldsäcke der EG und der USA nicht nur leeren Hoffnungen entspringt.
Jugoslawiens Außensekretär Lončar war mit der Resolution hochzufrieden. Sie könnte das Reformprogramm des Ministerpräsidenten Marković neu anschieben helfen. Auf welche Faktoren im Innern Jugoslawiens und speziell auf welche Machtbasis der Bundesregierung sich dieser Optimismus gründet, vermochte er allerdings nicht darzulegen. Die Regierung Marković, replizierte er etwas gereizt gegenüber Fragen der taz, verfüge nach wie vor über das Vertrauen eines Bundesparlaments, das eine demokratische Legitimation vorweisen könne. Die Regierung betreibe deshalb ihre eigene Reformpolitik, versuche aber gleichzeitig zwischen den Präsidenten der Republiken vermittelnd tätig zu werden. Lončar gab bekannt, daß es in den Verhandlungen vom letzten Mittwoch zwischen den Präsidenten Serbiens, Kroatiens und von Bosnien-Hercegowina Fortschritte gegeben habe, die jetzt in die Sitzung der sechs Präsidenten und der Bundesregierung eingebracht werden. Welcher Art diese Fortschritte waren, blieb im Dunkeln.
Das zweite „balkanische“ Ereignis auf der KSZE-Konferenz war die Aufnahme Albaniens als 35. und damit letzter europäischer Staat. Vorangegangen waren diverse Missionen und ein Briefwechsel, innerhalb dessen sich die albanische Regierung feierlich verpflichtet, die Schlußakte von 1975 mitsamt deren Menschenrechtsteil und die Pariser Charta zu beherzigen. Christian Semmler
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