: Gülle auf dem Weg zur Besserung
■ Bremen schiebt Projekt zur ökologischen Gülleverwertung an
Gleich vier Misthaufen hat Bauer Schilling zur Zeit auf seinem Grundstück: akurat nebeneinander aufgeschichtet, auf einer eigens angelegten Betonfläche (10 x 40 m), fein säuberlich unter vier runden Zeltdächern verdeckt. Doch nur einer der Haufen stinkt vor sich hin: und zwar der ohne Spezialbehandlung. Darüber freut sich Bauer Schilling genau so wie die Umweltbehörde und wie das Bodenökologische Institut. Die vier Misthaufen sind nämlich Teil eines Experiments, von dem sich die Initiatoren eine Lösung des Gülleproblems erwarten: Gülle zu Kompost.
Denn die Landwirte mit Viehzucht bleiben zunehmend auf der Gülle sitzen. In Naturschutzgebieten (wie den Bremer Wümmewiesen) ist das Ausbringen von Gülle generell verboten, in Wassereinzugsgebieten ist es nur begrenzt, in Zukunft wahrscheinlich gar nicht mehr erlaubt.
Der BUND hat gerade veröffentlicht, daß die Stickstoffemissionen der Landwirtschaft denen des Autoverkehrs mengenmäßig bereits entsprechen. Außerdem könnten die in den Boden regnenden Ammoniakverbindungen aus der Gülle, die über Flüsse ins Meer gelangen, dort für die Algenbildung mitverantwortlich sein.
Trotzdem werden die Landwirte auch in Bremen vom Wirtschaftssenator bei der Anschaffung von Gülletanks gefördert, lagern viele Bauern die überflüssige Scheiße ihrer Rinder in simplen Schwimmbecken hinterm Haus. Allein in Borgfeld bleiben alljährlich rund 10.000 Kubikmeter Gülle „Überfluß“ zurück, die nicht gebraucht werden.
In den Niederlanden und bei Cloppenburg wurden mittlerweile Großanlagen konstruiert, um die Gülle zu entschärfen. Zurück bleibt aber immer noch flüssige Gülle, die auf die Felder gefahren wird.
„Fast hätten wir solch eine chromblitzende Anlage schon gekauft“, erzählt der zuständige Fachreferent der Umweltbehörde, Adolf Pösel, von Bremens Plänen zur Entschärfung des Gülleproblems.
Doch dann drang ein überzeugender „Erfinder“ (und Anthroposoph) zu der Behörde vor: mit einer Idee und empirischen Erfahrungen — aber leider nicht mit Analysedaten, ohne die sich auf dem Markt kein Verfahren mehr an den Mann, bzw. Landwirt bringen läßt: Die Gülle wird mit Stroh vermischt (damit sie sich aufschichten läßt), am besten verhäckselt und dann mit einfachem Sägemehl 30 Zentimeter dick bedeckt. Fertig.
Mit dieser einfachen Technologie wird der Misthaufen isoliert: Bei einer gleichmäßigen Temperatur von 60 Grad verkompostiert sich der Haufen selbst- und vollständig - ohne zu stinken. Das Sägemehl bindet die Ammoniakdämpfe und verkompostiert sich dann ebenfalls zu einem Großteil. Es entsteht ein wertvoller Kompost, der das ganze Jahr hindurch auf's Feld gebracht werden kann und den bei normaler Gülleausfuhr zusätzlich nötigen Mineraldünger überflüssig macht.
Sämtliche Analysen dieses wissenschaftlich begleiteten Versuchs bei Landwirt Jürgen Schilling bestätigen bisher die Erwartungen. Wachstumsversuche und Langzeitbeobachtungen werden folgen. „Das ist die angepaßte Technologie, die die Landwirte brauchen“, meint Pösel. Birgitt Rambalski
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