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Die Hölle im Arm

■ Die Grünen luden zum Geschlechterkampf: „Geschlossene Gesellschaft“ auf dem „Schiff“

Die Idee muß von Sartres „Huis clos“ inspiriert sein: Ines, die Lesbe, Esdel und Garcin werden in den Salon geführt und merken erst im Verlaufe der sich entwickelnden Intrigen und Streitigkeiten, „menschliche Beziehungen“ genannt, daß der Ausgang versperrt ist, daß sie eine „geschlossene Gesellschaft“ bilden. Erkenntnis: „Kein Rost erforderlich. Die Hölle, das sind die anderen.“

Die Grünen luden am vergangenen Sonntag zum Geschlechterkampf unverblümt in eine ausweglose Lage: Sie mieteten dafür „Das Schiff“. Als Referentin war die Autorin Edit Schlaffer geladen (“Der Mann auf der Straße“, „Liebesgeschichten aus dem Patriarchat“, „Laßt doch die Männer in Ruhe“); die wenigen Männer, die der neutral gehaltenen Einladung gefolgt waren, wußten also, worum es geht. Kein Entkommen, rundherum Wasser.

Und so schipperte die neue Schwester der Hal Över scheinbar harmlos zwischen Weserwehr und Klöckner-Hütte den Fluß entlang, das Kölner Frauen-Duo Contra-Sax (Romy Herzberg und Christina Fuchs) stellte eigene interessante Kompositionen vor. Die Schaulustigen am Ufer winkten, als handele es sich um einen Ausflugsdampfer, dem etwas Sonne zum vollen Glück fehlt.

Nur wenige Male gelang es einzelnen Mitgliedern der geschlossenen Schiffs-Gesellschaft, aus dem Versammlungsraum herauszutreten, um wenigstens ein paar freie Atemzüge und — vielleicht ein letztes Mal — den Blick zum Ufer zu genießen, bevor sie sich wieder zum Schauplatz dieses ältesten Machtkampfes in der Geschichte der Zivilisation, des Streits zwischen Männern und Frauen, zurückgezogen sahen.

Dort stand sie, Edit Schlaffer, die Frau, die hunderte, ja tausende Männer vom Thron gestoßen und ins geschlechtermachtpolitische Nichts geschleudert hat, im harmlosen blauen Kleid, einen grüne Reifen im Haar. Aber sie verpackte nicht harte Schläge gegen die Männlichkeit in ihre wienernde Freundlichkeit, sondern ließ eigentlich die Frage offen, für deren Antwort sie geladen war: Soll die Frau kämpfen?

So blieb der geschlossenen Grünen-Gesellschaft die furchtbare Erkenntnis Sartres erspart, nach drei Stunden Schiffsfahrt schlenderten die grünen Frauen, ihre Hölle im Arm, den Anleger hinauf. K.W.

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