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Justizsenatorin erlitt eine Schlappe

■ Hauptausschuß sperrte 24 Millionen DM, die Justizsenatorin Limbach für den Ausbau Ostberliner Knäste beantragte

Berlin. Ihre Popularität als Verfechterin einer unerbittlichen Strafverfolgung in Sachen SED-Greise, Transferrubel-Schieber und Todesschützen an der Mauer ist Berlins Justizsenatorin Jutta Limbach offenbar zu Kopf gestiegen. Hinter dem Rücken des parlamentarischen Rechtsausschusses präsentierte sie dem Hauptausschuß im Nachtragshaushalt eine Rechnung von 24,8 Millionen Mark für den Ausbau der vier Ostberliner Knäste Köpenick, Pankow, Lichtenberg und Hohenschönhausen. Außerdem forderte sie 244 neue Stellen für Justizbedienstete, um in West-Berlin stillgelegte Haftplätze zu reaktivieren.

Doch diesmal ging der Schuß für die durch die Medien so erfolgsverwöhnte Senatorin nach hinten los: Der Hauptauschuß sperrte am Montag die beantragten 24,8 Millionen und trug Jutta Limbach auf, im September mit einem präzisierten Antrag beim Rechts- und Hauptausschuß vorzusprechen.

Die zweite Schlappe steht der Senatorin noch ins Haus. Der Unterausschuß empfahl bereits dem Hauptausschuß, von den geforderten 244 Stellen nur 34 Stellen zu bewilligen, weil die Entwicklung der Gefangenenzahl keinen größeren Bedarf erkennen lasse.

Daß sie den Rechtsausschuß stillschweigend übergangen hatte, wurde der Justizsenatorin von sämtlichen Fraktionen des Abgeordnetenhauses übelgenommen. Der rechtspolitische Sprecher von Bündnis 90/ Grüne, Albert Eckert, freute sich auf Nachfrage der taz ganz offen darüber, daß Limbachs »handstreichartiger Überrumpelungsversuch im verdienten Untergang endete«. Andernfalls, so Eckert, »hätte es einen Rückfall in die härteste Knastpolitik der CDU gegeben.« Eckert hatte den Hauptausschuß mit Unterlagen über Gefangenenzahlen und Stellenpläne aus anderen Bundesländern versorgt, die das Gremium stutzig machten.

Die Justizsenatorin hatte die Forderung nach 244 neuen Stellen — zur Reaktivierung von 664 stillgelegten Haftplätzen in West-Berlin — und 318 Stellen für umgeschultes Knastpersonal aus Ost-Berlin mit einer Zunahme der Häftlingszahl von derzeit 3.436 auf 4.800 begründet. Zugrunde gelegt wurde dabei die Erwartung, daß die Gefangenenzahl um 60 Prozent — wie die Bevölkerung der vereinigten Stadt — zunehmen werde. Der Hauptausschuß forderte die Justizsenatorin jetzt auf, bis zum Herbst einen Beleg für die erwartete Steigerung der Häftlingszahlen zu erbringen. Ferner solle die Justizverwaltung Vergleichszahlen aus den anderen Bundesländern bezüglich des Stellenschlüssels für Beamte vorlegen, hieß es.

Der Grünen-Politiker Eckert hatte den Ausschuß darauf hingewiesen, daß Berlin mit derzeit 90 Beamten auf 100 Insassen bundesweit mit Abstand an der Spitze liege. Das Schlußlicht bilde Baden Württemberg mit 45 Beamten auf 100 Gefangene. Dem geplanten Ausbau der Ostberliner Knäste für den geschlossenen Vollzug widersprach Eckert vehement. Vorrang müsse eine Erweiterung des offenen Vollzugs haben, »für den es weitaus schönere Standorte gibt als die alten Stasi- Knäste«, stellte Eckert fest. plu

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