: Die langen Arme der Südafrikanerin
■ Elna Reinach aus Südafrika brachte die Titelverteidigerin Martina Navratilova in der ersten Runde des Tennisturnieres von Wimbledon an den Rand der Niederlage/ Steffi Graf hatte mit Sabine Appelmans dagegen nur geringe Probleme
London (dpa) — Aller Anfang ist schwer. Für Wimbledons Top-Favoritinnen Steffi Graf und Martina Navratilova wurde der Start in die 105. All England Championships zu einem zähen Aufgalopp auf schlüpfrigem Parkett. Die Weltranglisten- Zweite aus Brühl bestritt ihr Erstrunden-Match gegen die Belgierin Sabine Appelmans auf dem regennassen Rasen aus Angst vor einer Verletzung nur mit angezogener Handbremse und gewann dennoch ungefährdet in 58 Minuten mit 6:2, 6:2. Nebenan auf dem Centre Court entging die neunmalige Rekordgewinnerin Martina Navratilova (USA) gegen die über sich hinauswachsende Elna Reinach (Südafrika) um Haaresbreite einer Blamage. Nur mit viel Glück und Routine rettete die Titelverteidigerin nach 1:46 Stunden mit 4:6, 6:2, 6:4 ihren 100. Einzelsieg auf dem Rasen an der Church Road.
Auch am zweiten Tag kam das bedeutendste Tennisturnier der Welt nicht so recht in Schwung. Nach dem total verregneten Montag ließ das Wetter auch am Dienstag nur ein spärliches Tennisprogramm zu. Von den geplanten 128 Spielen konnten bis zum Abend erst 27 komplett ausgetragen werden.
Die schwierigen äußeren Bedingungen riefen bei Steffi Graf unangenehme Erinnerungen hervor und mahnten sie zur Vorsicht. „Vor fünf oder sechs Jahren bin ich in Australien auf nassem Boden einmal ausgerutscht und habe mir den Daumen gebrochen. Daran mußte ich heute mehrmals denken“, lieferte sie den Grund für ihre eher glanzlose Vorstellung im ersten Wettkampf nach der Halbfinal-Pleite bei den French Open gegen Arantxa Sanchez-Vicario (Spanien) vor 19 Tagen. Die Schmach dieser Niederlage hat sie nach eigenen Angaben inzwischen verdaut, einen Grund dafür aber trotz des zeitlichen Abstands nicht gefunden. „Wir haben in der Familie und mit Trainer Pavel Slozil lange diskutiert, aber ich bin zu keiner Erklärung gekommen. Es muß so gewesen sein, daß ich einfach einen schlechten Tag hatte, an dem nichts klappte.“
Gegen die Belgierin hatte Steffi Graf größere Startprobleme als erwartet. Der erste Satz, der 30 Minuten dauerte, war umkämpfter, als es das Ergebnis besagt. Vor allem die sonst gefürchtete Vorhand kam bei der Brühlerin nicht so sicher wie gewohnt, auch nicht der Aufschlag bei insgesamt sechs Doppelfehlern. Doch der Sieg geriet nicht in Gefahr, weil die erst 19jährige Linkshänderin Sabine Appelmans nicht die Courage besaß, selbstbewußter aufzutreten. Im zweiten Durchgang ging die Weltranglisten-Zweite schnell mit 4:0 in Front. Sabine Appelmans verkürzte zwar auf 2:5, doch mit eigenem Aufschlag und dem ersten Matchball machte Steffi Graf dem Spiel ein Ende. Sie trifft nun auf Peanut Louie-Harper (USA), die sich gegen Claudia Porwik (Heidelberg) mühelos mit 6:4, 6:1 durchsetzte.
„Ich hätte heute einen Doppelpartner auf dem Platz brauchen können“, staunte Martina Navratilova nach dem für sie glücklichen Ende eines schon verloren geglaubten Spiels über die Fertigkeiten ihrer Gegnerin. „Ich schwöre bei Gott, sie hat die längsten Arme“, urteilte sie über Elna Reinach, die mit präzisen Schlägen aus fast jeder Situation glänzte, während die 34jährige um ihre Konzentration kämpfte: „Ich habe mehr an die äußeren Bedingungen gedacht als an den nächsten Ball.“ Im dritten Satz stand sie vor 12.000 bangenden Zuschauern am Rande des Abgrundes, mußte zwei verlorene Aufschlagspiele zurückholen und lag mit 3:4 und 0:30 im Hintertreffen, ehe ihr doch noch die Aufholjagd gelang. „Ich kann mich nicht erinnern, mich jemals aus einer solch prekären Lage noch gerettet zu haben“, gestand sie später erleichtert ein.
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