NRW-Flüchtlingspolitik: Mildttätig abschieben

Die Caritas hat sich angedient, die „Rückführung“ von 1.400 Roma aus Nordrhein-Westfalen nach Jugoslawien zu organisieren  ■ Von Bettina Markmeyer

Bochum (taz) — Die Vereinbarungen zwischen der nordrhein-westfälischen Landesregierung und der makedonischen Regierung im zerfallenden Jugoslawien sind so gut wie perfekt. NRW will zunächst 1.400 Roma in die makedonische Hauptstadt Skopje zurückschicken und ihnen dort finanzielle Starthilfen gewähren. Später sollen ähnliche Vereinbarungen mit anderen Teilrepubliken folgen. Die Gespräche zwischen Abgesandten der Düsseldorfer Staatskanzlei und der makedonischen Regierung in Jugoslawien hatten sich länger hingezogen als geplant, weshalb vorgestern die Duldung für die Roma erneut verlängert werden mußte.

Das NRW-Projekt ist über die Landesgrenzen hinaus brisant. Denn die Bundesregierung unterstützt es als Pilotprojekt für eine „neue Flüchtlingspolitik“ unter dem Stichwort „Hilfe in den Herkunftsländern“. Damit hat sich die Düsseldorfer Strategie durchgesetzt, mittels des ,Rückführungsprogramms‘ alle politischen Bemühungen zunichte zu machen, einer bestimmten Gruppe von Roma ein Bleiberecht zu gewähren. Viele Roma werden dem Programm deshalb auch weiterhin Widerstand entgegensetzen. Als Partner für ihr Skopje-Programm hat sich der Düsseldorfer Staatskanzlei die Caritas angedient. Bereits im Januar nach einer Reise nach Skopje und Besichtigung des dortigen Roma-Ghettos Schutka, habe die Essener Caritas in Düsseldorf ihre Hilfe angeboten, erlärt Rudi Löffelsend, Sprecher des Caritasverbandes für das Bistum Essen. Im Juli will die Caritas ein Büro in Skopje mit einer Außenstelle in Schutka eröffnen. Über dieses Verbindungsbüro wird die ,Rückführung‘ abgewickelt.

Die drei Mitarbeiter des Caritas- Büros werden von der NRW-Landesregierung bezahlt. Neben einem gebürtigen Skopjer will die Caritas einen Deutschen und, „wenn möglich“, auch einen Rom beschäftigen. Büroräume stellt der Bischof der römisch-katholischen Diözese Skopje, Joakim Herbut. Das Caritas-Büro wird die Verteilung der Gelder übernehmen. Das sogenannte Reintegrationsprogramm ist mit 11 Millionen Mark veranschlagt. Davon sollen etwa hundert Kindergartenplätze, muttersprachlicher Schulunterricht und ein Fond zur Arbeitsbeschaffung finanziert werden. Außerdem erhalten die Roma Reisekosten bis 300 Mark pro Person und ein halbes Jahr lang Unterhaltsbeihilfen. Genaue Zahlen will die Düsseldorfer Staatskanzlei erst mit der Veröffentlichung der Vereinbarungen angeben. Die RückkehrerInnen sollen zunächst in Containern wohnen, die von NRW finanziert werden. Später sollen sie umziehen in einen Komplex, den die Makedonier außerhalb von Schutka planen. NRW will diese Häuser mitfinanzieren, wenn sie so schnell bezugsfertig sind, daß dadurch Container eingespart werden können. Auf Anraten der Caritas hat die Landesregierung davon Abstand genommen, die NRW-Roma im Ghetto selbst anzusiedeln. NRW will sein Skopje-Programm in einem Jahr abwickeln. Wie man danach garantieren könne, daß tatsächlich Roma in den von den Makedoniern finanzierten Häuserkomplex einziehen, weiß Rudi Löffelsend „heute auch noch nicht“.

In der Düsseldorfer Staatskanzlei heißt es zur Zusammenarbeit mit der Caritas, das Hilfswerk sei „hochkompetent“ und deshalb ausgewählt worden. Tatsächlich verfügt die Essener Caritas zwar über „reiche Erfahrungen in Osteuropa“, doch hat sie bisher „nicht mit Roma zusammengearbeitet“, bestätigt Löffelsend. Daß weniger die Kompetenz als die Politik die Zusammenarbeit der NRW-Landesregierung mit dem katholischen Hilfswerk hervorgebracht hat, dürfte der Wahrheit denn auch näher kommen. Die evangelische Kirche, deutsche UnterstützerInnen und erst recht die beiden Roma-Verbände, der Zentralrat in Heidelberg und die Rom und Cinti Union (RCU) in Hamburg, lehnen das sogenannte Reintegrationsprogramm und damit auch eine Mitarbeit ab. Das einzige Angebot kam von der Caritas.

Damit reduziert sich die „neue Flüchtlingspolitik“ der NRW-Landesregierung auf traditionelle caritative Hilfsmaßnahmen in einer Armutsregion, statt gegen die systematische politische, soziale und wirtschaftliche Diskriminierung der Roma in Jugoslawien anzugehen. Interesse der Caritas ist, über die Betreuung der NRW-Roma in Skopje hinaus — von denen übrigens nur 15% KatholikInnen sind — die Arbeit der makedonischen katholischen Kirche im caritativen Bereich zu stärken. Dafür sollen die Caritas- Verbände in NRW im nächsten Jahr eine halbe Million Mark aufbringen.

„Wir sind nicht der Büttel der Landesregierung“, sagt Rudi Löffelsend in Essen. Doch das katholische Hilfswerk hat sich längst von der Düsseldorfer Politik abhängig gemacht: Im Caritas-Vorstandsbeschluß heißt es, man werde sich in Skopje nur engagieren, wenn die Roma an dem Rückkehrprogramm „freiwillig“ teilnähmen. Daß den Roma als Alternative zur Teilnahme an dem Programm nur die Abschiebung bleibt, weiß auch Rudi Löffelsend: „Diese Alternative ist keine Alternative.“ Aber: „Die Diskussion ums Bleiberecht ist gelaufen.“