: Slowenien: Blutige Kämpfe um den neuen Staat
■ Das erste Opfer: Ein Offizier der jugoslawischen Bundesarmee / Jugoslawische Bundesarmee soll slowenische Grenzposten der Souveränität Jugoslawiens unterwerfen/ Sloweniens Regierung fordert slowenische Soldaten zur Desertion aus Bundesarmee auf
Ljubljana (dpa/taz) — Den ganzen Donnerstag über rollten in Slowenien die Panzer der jugoslawischen Bundesarmee. Die Hauptstadt Ljubljana ist umzingelt, der Flughafen unbenutzbar. Im Laufe des Tages kam es zu ersten Schußwechseln zwischen Soldaten der jugoslawischen Volksarmee und der slowenischen Territorialverteidigung — Einheiten der jugoslawischen Armee hatten versucht, die Grenzübergänge zu Österreich und Italien der Souveränität des jugoslawischen Staates zu unterwerfen. Am Übergang Ormoz an der ungarischen Grenze fiel der erste Soldat in diesem Bürgerkrieg, ein Offizier der Volksarmee.
Polizei und Territorialstreitkräfte sowie die Bevölkerung Sloweniens errichteten Barrikaden, ohne den Vormarsch der Bundestruppen zu verhindern. Slowenische Lastwagen und Busse blockierten die Start- und Landebahnen. Einige der Grenzübergänge sind von Bundestruppen besetzt worden, an anderen stehen sich slowenische und Bundeseinheiten gegenüber. Alle aber sind unpassierbar, sei es durch die Panzer, sei es durch Straßensperren.
Während des Tages kam es in Nove Mesto bei Ljubljana und am Karawanken- Tunnel zu Schießereien, ohne daß Menschen ums Leben kamen. Auch in Ljubljana selbst ist das Bild von Barrikaden bestimmt. Allerdings glaubt man nicht an eine Invasion der Stadt zum jetzigen Zeitpunkt. Die slowenische Führung hat an die slowenischen Soldaten in der jugoslawischen Armee appelliert, die Waffen nicht gegen ihre Landsleute zu richten. Hilferufe ergingen auch an die Führungen der anderen jugoslawischen Republiken. Die Führung der Armee wiederum erklärte, sie werde jeden Widerstand „rücksichtslos“ brechen. Die Verantwortung falle auf diejenigen zurück, die zum Widerstand aufriefen. Wer für den Militäreinsatz letztlich verantwortlich ist, blieb unklar. Ein Mitglied der Bundesregierung, der Slowene Pregl, dementierte, daß der Einsatzbefehl von ihr gegeben worden sei.
Die Regierung Österreichs hat am Donnerstag nachmittag den ersten Schritt des „Krisenmechanismus“ eingeleitet, der auf der Sitzung der KSZE-Außenminister vor wenigen Tagen beschlossen worden ist. Demnach hat die jugoslawische Führung 48 Stunden Zeit, sich zu einer entsprechenden Anfrage zu äußern. Danach können 12 KSZE-Staaten eine Krisenkonferenz fordern. TAGESTHEMASEITE 3
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