piwik no script img

Der Körper als Leerstelle

■ Lizzie Calligas' Metamorphosen in der Galerie Bodo Niemann

My Body — Your Body: Bilder des eigenen Körpers und eines Modells verschmelzen in den Metamorphosen der griechischen Künstlerin Lizzie Calligas. Mit den Mitteln der Zeichnung, Malerei, Fotografie und Diaprojektion vervielfältigt und schichtet sie die Bilder vom weiblichen Torso, bis sie wie Zwiebelhäute übereinander liegen. Schale um Schale springt sie auf, reißt an der Linie zwischen den Brüsten und dem Bauchnabel. Doch immer zweifelhafter wird, ob sich unter diesen Hüllen noch ein greifbarer Körper manifestiert oder ob sie — gleich der abgestreiften Schlangenhaut und der leeren Schmetterlingspuppe — nur Hülsen einer Metamorphose im Inneren gewesen sind. Haut öffnet sich wie eine Papierschale und faltet sich wie ein Vorhang. Lizzie Calligas erreicht diese Effekte durch Projektionen. Gezeichnete Körper bilden sich auf realen ab, fotografierte Modelle schlüpfen in ihr eigenes Bild. Der weibliche Körper wird so zugleich zum Auftrittsort und Darsteller seiner selbst. Seine greifbare Wirklichkeit verliert sich zwischen den Projektionen. Die Rückkehr in die nur noch fiktive Einheit des Körpers ist nicht mehr möglich. Keine noch so bescheidene Haltung ist mehr zu finden, die nicht schon als »natürliche« Pose verbraucht wäre. Nicht nur dem Hardcore-Realismus der Akt- und Nacktfotografie, der die unverhüllte Stofflichkeit als Wirklichkeit preist, sondern auch der klassischen Kunst der Aktzeichnung, die hinter der Wahrheit des Körpers her ist, wird eine Absage erteilt.

Lizzie Calligas arbeitete an dem Zyklus Metamorphoses: My Body — Your Body zwischen 1985 und 1990. Die 34 großformatigen Fotografien sind oft zu Diptychen und Triptychen zusammengefaßt: an den traditionellen Bildorten der drei unterschiedlichen Erscheinungsformen des göttlichen Geistes wiederholt sich jedesmal das Schauspiel des Körpers, der mit sich nicht eins ist. Vor die eigenen Arbeiten stellte Lizzie Calligas das Bild einer steinernen Aphrodite, in deren nur von einem durchsichtigen Schleier umhüllten antiken Torso sie ihr eigenes Thema von der Verdrängung des Wirklichen durch das Bild vorformuliert fand. Katrin Bettina Müller

Lizzie Calligas, Metamorphoses: My Body — Your Body, Galerie Bodo Niemann, Knesebeckstr. 30, bis 27. Juli.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen