: Länderpunkte für Griechenland
■ Der Neue Berliner Kunstverein zeigt Künstler aus Griechenland in der Kunsthalle
Bisher scheint weder das Interesse, noch die Kenntnis griechischer Kunst unter Berliner Ausstellungsinstitutionen groß zu sein. Doch der weiße Fleck in der Kunstlandschaft Europa wird nun vom Neuen Berliner Kunstverein mittels einer Ausstellung griechischer Kunst mit 15 Signaturen versehen. VonKatrin Bettina Müller.
Dies ist ein Teil des Projektes »Kunst, Europa«, in dem 63 deutsche Kunstvereine den Sommer über Nachhilfeunterricht in europäischer Kunst erteilen. Die Regionen der alten Bundesländer haben dabei 20 europäische Länder unter sich aufgeteilt: Baden zeigt Großbritannien, Bayern Skandinavien, Niedersachsen präsentiert sowjetische Kunst, der Kölnische Kunstverein widmet sich Island, die Österreicher schaffen's bis Norddeutschland.
Kunst als Kommunikationsmittel über Ländergrenzen wird zum Programm. Kultur fungiert als Vorbote der wirtschaftlichen Zusammenschlüsse. Das ist immerhin schon eine gehaltvollere Einstimmung als der Wahlkampf-Song »Wir sind Europa«, riecht aber dennoch mehr nach gutem Willen denn wirklichem Interesse.
Griechische Kunst betört durch den Duft der Sonne. Denn nahe dem Eingang der Kunsthalle, in der der Neue Berliner Kunstverein Künstler aus Griechenland präsentiert, ist die »Geschichte des Tabaks« von Panos Charalambous ausgebreitet. Der Künstler aus Athen, Mitglied eines Tabakplantagen-Clans, entzieht den goldbraunen Rohstoff dem Konsum, um ihn als Ressource auf den Altar des Bewußtseins von der Endlichkeit der Stoffe zu heben. Er verschiebt Ausschnitte aus der tabakverarbeitenden Industrie in den Kunstkontext, die damit zum Bild einer Kulturlandschaft werden und die alltäglichen Arbeitsprozesse aufwerten. Die Tabakblätter hängen auf Fäden aufgezogen, wie zum trocknen an der Wand, und liegen in einem großen Kreis auf dem Boden, in dem die Sonne ihrer Reifung gespeichert zu sein scheint.
Charalambous gegenüber entfalten sich die mächtigen Wasserfarben- Frise von Vana Xenou; damit ist auch schon ein Prinzip und Dilemma der Länder-Schau bezeichnet. Malerei und Installation wechseln einander beziehungslos ab, was zwar informativ und gerecht sein mag, nachhaltiger Eindringlichkeit aber Abbruch tut.
Die Malerin Vana Xenou, die Motive der Kunstgeschichte in einer Art Blow-up-Verfahren in aufgewühlte Farbstrudel verfremdet, teilt diese Konzentration auf malerische Stimmungen mit Jiorgos Xenos und Thrafia, die in ihren »Alchemischen Landschaften« aus Wachs auf handgemachtem Papier in erdigen Farben die Energie geologischer/organischer Prozesse in quellenden Formen und Konturen umsetzen. Um eine Wiedererweckung von Pathos und Figur geht es bei Eleni Moraiti: muskulöse Torsi, eingeschnürt, stierköpfig, knüpfen an das Thema der Selbstverstümmelung männlicher Helden an.
Schwarze Graphitwolken lasten bleiern auf den psychisch bewegten Landschaften von Yannis Adamakos. Reflexe auf die Popzeit der Malerei finden sich bei Jiorgos Harvalias und Tassos Parlopoulos. Harvalias dramatisiert auf riesigen Leinwänden mit wenigen Farbstufen zwischen Schwarz und Weiß, sparsamen Konturen und einigen hingeschleuderten Wischern einfachste Gegenstände als Anlaß metaphysischer Spekulationen. Parlopoulos verfolgt die Entleerung von Bildformeln durch die Massenproduktion. Serien von spukenden Köpfen, rauchenden Vulkanen, dampfenden Tassen und aufgesperrten Krokodilsmäulern werden als Pappschablone ausgeschnitten oder handgemalt zu Bild, Tapete, Stoffmuster.
Ebenso wie die Maler gehören auch alle ausgewählten Objektkünstler der Nachkriegsgeneration an. Der älteste unter ihnen ist der 1941 geborene Jiannis Bouteas, dessen Environment aus Rohren, die in der Mitte aufbrechen, um ein Gekröse aus roten Neonschleifen zu zeigen, an Mario Merz erinnert. Den Gegensatz von steinerner Archaik und technischer Lichtsetzung reizt Dimitris Sakellion aus. Als ständige Verwandlung von Materie, deren unterschiedliche Zustände den Menschen anrühren und ihm Prozesse des Lebens in konzentrierter Form vorführen, begreift Kyriakos Martarakos seine Kunst: Neben eine Kohle-Zeichnung auf der Wand notiert er Gedanken über die Spuren von Gegenwart und Vergangenheit.
Neben dieser zurückhaltenden Markierung nehmen sich die zackigen, sattblauen Skulpturen aus Eisen und Holz von Kostas Fotopoulos ungewöhnlich aggressiv aus. Aus Holzkisten starren wehrhafte Eisenspitzen, erinnern an die mythische Drachensaat und an Felsen im Meer. Sie wachsen wie Kakteen auf Sockeln und fahren wie Schwenkarme über die bleierne Bildfläche. Die Stacheligkeit der Punk-Kultur gefriert in diesen kriegerischen Objekten.
Im letzten Raum hat Nikos Tziotis große Bleizahlen als Skuplturen aufgestellt. Auf einer eigens ausgeleuchteten Bühne führen sie mit dramatischen Schatten das tragische Stück von der Reduzierung zur bloßen Nummer auf.
Da sich den 15 Künstlern nichts spezifisch Griechisches nachsagen läßt, bescheinigt man ihnen Internationalität. Über eine leichte Enttäuschung mangelnder Sensation wegen tröstet hinweg, daß es in der griechischen Kunstszene auch nicht aufregender als hier zuzugehen scheint.
Kunst, Europa: Griechenland. Ausstellung des Neuen Berliner Kunstvereins in der Kunsthalle Budapester Straße, 25.6. bis 28.7., di-so 10-18, mi 10-22 Uhr.
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