: Standbild: Das Badezimer als Metapher
■ "So nah wie fern", ZDF, Di., 2.7., 22.40 Uhr
Die Ansagerin hatte uns vorbereitet: In Berlin, der offenen Stadt, hat das Leben und Arbeiten bedrohliche Formen angenommen. Wie bedrohlich es geworden ist, zeigte uns dann Susanne Reumschüssels kleines Fernsehspiel So nah wie fern. Überraschend fischt in der ersten Szene die Protagonistin Irma ein Hakenkreuz aus der mütterlichen Badewanne und installiert damit das zentrale Thema, um das es gehen wird: das schwierige Verhältnis zwischen Deutschen und Polen. Dargestellt am Beispiel des Badezimmers.
Irma lebt unter erschwerten Bedingungen, wahrscheinlich mitten in Kreuzberg. Der gemeine Hausschwamm, der hin und wieder hausmeisterliche Gestalt annimmt, sowie zwei spekulantenmäßige Schemen mit Melone wollen sie zu Modernisierungszwecken aus ihrem Haus ekeln. Die in der Folge auftretenden Tarkowskijschen Wassermassen müssen jeden von dessen Marodität überzeugen.
Thema Numero Zwei. In Irmas Bauchtanzgruppe tobt der Konflikt um den Paradigmenwechsel in der weiblichen Selbstdefinition: lustvolle Präsentation statt Selbsterfahrung. Thema Numero Drei. Tölpel Klaus, der Nachbar, ist Modell des (deutschen) Manns, den man nicht mehr will. Selbstkritisch gilt vielmehr streng rezeptionsästhetisch: Des Mannes Geheimnis ist das, welches wir in ihm sehen. Haben Sie mitgezählt?
Spiegel all dieser Motive sowie Irmas persönliche Hoffnungen wird Andrzej, ein polnischer Schwarzarbeiter, der aber gar nicht so aussieht. Seine klempnerischen Fähigkeiten führen ihn direkt in ihr Bad, wo er zunächst aus existentieller Abhängigkeit vom korrupten Hausmeister erheblichen Schaden verursacht. Dessen Reparatur wiederum führt sie in sein Bett, aus dem er erschreckt den Rosenkranz fallen läßt, und kostet ihn den Job.
Er zieht bei ihr ein, und seine Schöner-Wohnen-Modernisierung ihres Badezimmers wird zur Metapher ihrer Beziehung: ein rosarotes Mißverständnis.
Erst in dieser letzten Szene wurde der Ernst des Themas überhaupt glaubwürdig, weil es sich hier stilistisch und inhaltlich verdichtete. Die Entwicklung der Motivebenen nämlich geriet teilweise unfreiwillig komisch, wie in den Szenen weiblicher Selbstbesinnung; oder gar denunziatorisch und widersprüchlich wie in den türkischen und polnischen Milieuschilderungen. Beigetragen dazu haben auch die drögen Zettelkasten- Dialoge, dahergesagt und ohne jegliche Selbstironie, sowie die aufdringliche Ausstattung. Einige Aspekte bleiben daher nur Behauptung: die Parallelisierung der Geschichte von Mutter und Tochter ebenso wie diejenige der polnischen Zwangs- und Schwarzarbeiter. Erst die Banalität einer Geschmacksfrage, eingefangen im Bild eines rosa Bades, formulierte präzise den Konflikt: die historisch gewachsene Differenz von Lebensstilen und Erwartungen. Barbara Häusler
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