: Der nächste Oberbürgermeister, bitte, in Chemnitz
Pleite mit dem Mainzer Unternehmensberater Dieter Noll/ Gerangel um die Nachfolge/ Wird es diesmal wie gewünscht ein „Einheimischer“? ■ Von Frank Bernard
Chemnitz. Für Chemnitz wird ein Oberbürgermeister gesucht. Schon wieder, möchte man sagen. Denn der letzte, ein aus Mainz „importierter“ Unternehmensberater namens Dieter Noll, hatte sich in nur einem Jahr von selbst ins Aus manövriert. Vollmundigen Erklärungen zum Anfang seiner Amtsperiode, die große Erwartungen weckten, folgte bald ein recht autoritärer Führungsstil. Abgeordnete und Dezernenten fühlten sich immer öfter übergangen und vor vollendete Tatsachen gestellt. Noch schlimmer aber war der Verdacht, daß hinter willkürlichen Entscheidungen persönliche finanzielle Vorteile stehen könnten.
So hatte er eine schon geplante öffentliche Ausschreibung plötzlich wieder blockieren lassen und gab einer Firma den Vorzug. Doch seine Erklärung, es sei ihm um mehr Tempo bei der innerstädtischen Bebauung gegangen, war nicht recht glaubhaft.
Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß sollte die Vorwürfe klären, brachte aber auch nicht genug Licht in die Sache. Das Vertrauen in den ersten Mann der Stadt schwand indessen weiter, bis ihn zuletzt die eigenen Mannen von der CDU direkt zur Aufgabe seines Amtes zwingen mußten.
Nun ist das Gerangel um die Nachfolge in vollem Gange. Die SPD stellte angesichts der starken CDU-Mannschaft im Stadtparlament keine Ansprüche auf eine direkte Nachfolge ihres ersten stellvertretenden OBs im Amt, und so kann die CDU erneut die Kandidaten stellen, die bei der Wahl dann auch die größten Chancen haben dürften. So bewarben sich aus den Reihen der CDU bisher Dr. Joachim Pilz, der derzeit amtierende OB, und der ehemalige Regierungsbevollmächtigte und jetzige Staatssekretär Dr. Albrecht Buttolo um das Amt.
Beide sind Sachsen und kennen die Sorgen der Chemnitzer dadurch natürlich weit besser als ihr Mainzer Vorgänger. Die selbstbewußten Einwohner hatten ohnehin nicht recht eingesehen, daß die rund 300.000 Bürger zählende Stadt einen Import benötigt. Beide haben zum Glück auch schon Erfahrungen in der neuen Verwaltung.
Beide CDU-Männer teilten übrigens schon mit, daß sie sich gegenseitig nicht im Wege stehen wollen. Ihre Partei werde die Strategie der OB-Wahl noch beraten. Jeder ist bereit, zugunsten des anderen zurückzutreten. Das heißt nicht mehr und nicht weniger, als daß die Stadtverordneten möglicherweise gar keine echte Wahl haben werden, weil schon alles vorentschieden wird. Und wo bleiben da andere Kandidaten? Der Öffentlichkeit ist nur bekannt, daß es für das OB-Amt noch fünf weitere Bewerber gibt. Wer sie sind und welche Voraussetzungen sie mitbringen, blieb — mit einer Ausnahme — im Dunkel, als ob es die Einwohner nicht interessieren würde. Eine schon etwas seltsame Informationspolitik, frei nach dem Motto: Die Richtigen sind bekannt, was soll's da noch...
Daß sich nur die einen vorstellen, sah wohl auch Dr. Malz nicht ein, ein weiterer, parteiloser Bewerber. Er rief die 'Freie Presse‘ an und sagte ihr, er sehe keinen Grund mehr, sich „an das mit der Stadtverwaltung vereinbarte Stillschweigen“ zu halten, denn andere Mitbewerber täten das auch nicht. Dann stellte er sich vor: 1941 als Sohn eines Klempnermeisters in Chemnitz geboren, gelernter Stahlgraveur. Als 19jähriger „ohne jegliche politische Hintergründe in die weite Welt“ gegangen, Studium der Betriebswissenschaft, später Promotion auf dem Gebiet der angewandten Volkswirtschaft. Man stehe in Chemnitz nicht vor einem politischen, sondern vor einem wirtschaftlichen Problem, und da könne er mit seinen Erfahrungen und seiner Ausbildung der Stadt vielleicht dienen.
Während die Öffentlichkeit mehr Transparenz wünscht, ging das Stadtparlament inzwischen erst einmal in die Sommerpause. Da bleibt vielleicht ein bißchen Muße, einiges noch einmal zu überdenken. Das mahnte jüngst sogar der Kreisverband der Jungen Union Chemnitz an. Die Affäre Noll sei bis heute nicht voll aufgeklärt, kritisierten die jungen Christdemokraten völlig richtig. Die Bürger hätten vornehmlich „Chaos und Durcheinander“ wahrgenommen.
Langatmige Verwaltung, schleppende Lösung von Versorgungsproblemen in Altbaugebieten, kein nennenswertes Konzept für Verkehrsprobleme wurden als Beispiele genannt. Zumindest in Ansätzen hätten Lösungswege gefunden werden müssen, mahnten die CDU-Jungen.
Dem ist nicht viel hinzuzufügen. Vielleicht nur so viel, daß nach der Pleite mit dem Mainzer Unternehmensberater die Einwohner ihre Abgeordneten und Stadtväter jetzt erst recht in die demokratische Pflicht nehmen werden und außer Worten vor allem Taten erwarten.
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