: Gesammelte Schriftstellerinnen
■ Datenbank mit 70.000 Titeln und 15.000 Namen / Fünf Jahre Stiftung Frauen Literatur Forschung
Literatur von Frauen und ihre Autorinnen haben eins gemeinsam: sie fristen ihre Existenz im Halbdunkel der Bibliotheken und Schreibtischlampen. An einer handvoll berühmter Schriftstellerinnen erforschen Frauen seit Jahren Ästhetik, Intention und Wirkung weiblicher Sprache. Die anderen werden schlicht vergessen.
Hochgerechnet gibt es seit 1945 vermutlich 500.000 (!) Titel Literatur von Frauen allein in den alten Bundesländern, so die Initiatorin der Stiftung Frauen Literatur Forschung e.V., Marion Schulz. Die würden drei Ebenen der Bremer Universitätsbibliothek füllen.
Die „Elfenbeinturm-Auseinandersetzung“ mit den vielleicht 50 prominenten Frauen-Namen ärgerte die Universitätsbibliothekarin. Wenn es da nichts gibt, mache ich es eben selbst, dachte sich Marion Schulz und fing vor fast 10 Jahren an, Schriftstellerinnen und ihre Bücher — ohne Wertung — zu bibliographieren. Was zuerst ein Hobby war, ist inzwischen die einzige deutsche Bibliographie deutschsprachiger Schriftstellerinnen von 1945 bis heute, eine Datenbank mit 70.000 Titeln und 15.000 Namen. Seit 1986 arbeitet ein Team von durchschnittlich 13 Frauen an der nimmer endenden Recherche. In diesen Tagen feiert der Verein sein fünfjähriges Bestehen.
„Die Bibliogaphie bezieht sich auf Belletristik“, sagt Marion Schulz und guckt unglücklich,
Marion Schulz, BibliographinFoto: Jörg Oberheide
„eigentlich gibt es keinen entsprechenden Begriff — eben Gedichte, Romane, Erzählungen, Hörspiele, Theaterstücke.“ Au
hier bitte die Frau
am Tisch
ßer Titeln und Namen sammelt der Verein auch biographische Daten der Autorinnen: Pseudonyme, beruflicher Werdegang, Bedingungen der literarischen Tätigkeit, Stipendien, Preise.
Die Stiftung Frauen Literatur Forschung, das sind 25 Quadratmeter unterm Dach, in dem Haus, in dem die Initiatorin auch wohnt. Dort stehen auf engstem Raum Schreibtische, Nachschlagewerke, ein Computer. Und aus den Anfängen ihrer Sammlung — die alte „hardware“, lange Karteikästen mit tausenden von Karten, die „aus praktischen Gründen“ auch noch benutzt werden. Die andere Hälfte des Raumes beherrscht ein klobiger Couchtisch mit karierter Tischdecke, den vier dicke Bände „Verzeichnis lieferbarer Bücher“ unter den Beinen auf die richtige Schreibhöhe bringen. Hier sitzt Marion Schulz, wenn sie nicht ihrer „Lohn-und-Brot-Tätigkeit“ in der Uni-Bibliothek nachgeht - mit flexibler Arbeitszeit zum Glück, denn ihr Beruf ist noch heute die finanzielle Basis des Vereins.
Viele fleißige Hände arbeiten auch im Rechenzentrum der Universität an der stattlichen bibliographischen Datenbank. Dank der Unterstützung des Literaturhistorikers Gerd Sautermeister sitzen, neben ABM-Fachkräften, auch einige BibliothekskollegInnen an ihrem Feierabend an den dortigen Computern und Kopierern.
Der Verein (“Stiftung klingt seriös und ist kein geschützter Begriff“) hat sich in der Öffentlichkeit bisher nur zurückhaltend dargestellt. „Noch sind wir mit dem Aufbau des Projektes beschäftigt, es muß ja erstmal etwas drin sein!“ lacht die professionelle Pedantin. Ein bißchen Faltblatt- Werbung auf Literatur-Veranstaltungen, Tagungen und Mund- zu-Mund-Propaganda haben weite Kreise gezogen. Beispielsweise kam jüngst eine Nachfrage aus Stockholm. Eine Frau brauchte Sekundärliteratur für ihre Dissertation über Christine Brückner. „Das gehört normalerweise nicht zu unserem Service. Aber auf Anfrage recherchieren wir das.“
Auch wenn inzwischen 40 Mitglieder (“Auch Männer, die haben ja meistens das Geld!“) Jahresbeiträge und Spenden zahlen und jede Auskunft nach einer Gebührenordnung entlohnt wird (“Über den Preis kann man reden, aber bei Institutionen haben wir keine Hemmungen“), ist bisher an eine feste Stelle nicht zu denken. Auch die Finanzierung über ein Forschungsprojekt, beispielsweise bei VW oder der DFG, hat bisher nicht geklappt. Hoffnungen setzen die Frauen noch in einen Antrag beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, die sozialökonomische Situation von Schriftstellerinnen zu erforschen. Marion Schulz: „Wir sind die einzigen, die auf einen eigenen Fundus aufbauen können.“ Es liegt in der Natur der Sache, daß ein Einde der Arbeit nicht abzusehen ist: „Daran können noch Generationen nach uns weiterarbeiten.“ Beate Ramm
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