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Hinter Washingtons Kulissen

■ „Capital News“, eine neue Serie vom „Hill Street Blues“-Team, jeden Dienstag, 22.50 Uhr, RTLplus

Für einige Wochen wird die Reporter-Serie Capital News im RTL- Programm den Platz von L.A. Law einnehmen, ein zwar nicht vollwertiger, aber passabler Ersatz, soweit der Pilotfilm Rückschlüsse auf die gesamte Staffel erlaubt. Hauptfiguren sind die Journalisten einer renommierten Washingtoner Tageszeitung, kleine Zeilenschinder ebenso wie karrieresüchtige „Nachrichtenmanager“ der oberen Etagen. Im Zentrum des Geschehens steht Jo-Jo Turner, Chefredakteur, ruhender Pol und ausgleichende Kraft zugleich. Gespielt wird er vom alten Serienhaudegen Lloyd Bridges. Die nächsten in der Hierarchie des Blattes sind die Ressortleiter Clay Gibson (Lokales), Edison King (Überregionales) und Vinnie DiSalvo (Wirtschaft). Zwischen diesen Kronprinzen gibt es naturgemäß einige Eifersüchteleien und Animositäten, unter denen die Reporter manches Mal zu leiden haben. Zu denen gehören Neuling Anne McKenna (Helen Slater), der gewiefte Schnüffler Redmond Dunne (William Russ), die kecke Doreen Duncan (Jenny Wright) und ihr harmoniesüchtiger Partner Haskell Epstein (Daniel Roebuck). Miles Plato (herrlich zelebriert von Kurt Fuller), der blasierte Klatschkolumnist des Blattes, ist ein eitler Pfau mit Rolls Royce und einem eigenen Stab von Zuträgern. Mit dieser Serienfigur verbinden sich die schillernd-boulevardhaften und auch komischen Elemente; allerlei Seitenhiebe zielen auf die Schickeria nicht nur der Kapitale Washington.

Die Wahl der US-Hauptstadt als Ort der Handlung gewährleistet ein breites Themenspektrum. Da geht es im Umfeld der Bundesbehörden, Geheimdienste und Ministerien um hohe Politik, während die Lokalreporter die miserablen Lebensbedingungen in den Ghettos der schwarzen Bevölkerung dokumentieren, Skandale aufdecken, vom Banküberfall an der nächsten Ecke oder über die Schicksale mißhandelter Ehefrauen berichten. Die hohe Verbrechensrate der Stadt liefert eine Menge Stoff für die einzelnen Episoden. Aber auch das Medium selbst wird kritisch reflektiert, wenn etwa in einer Folge Anne McKenna mit einem Kollegen aneinandergerät, der, noch während die Rettungsmaßnahmen laufen, 10.000 Dollar bezahlt, um die Exklusivrechte an der Story eines verunglückten siebenjährigen Jungen zu bekommen.

Capital News steht in der Tradition der innovativen Polizeiserie Hill Street Blues (deutsch: Polizeirevier Hill Street). Die Dramaturgie dieser Serie stellte nicht mehr einzelne, häufig idealisierte Helden (Heldinnen waren eher selten) heraus, sondern ließ mehrere Handlungsfäden parallel laufen. Auch formal löste man sich von der sterilen Inszenierung der geläufigen „soap operas“: Dem alltäglichen Arbeitsablauf auf einer Polizeiwache versuchte man mit den Mitteln des Mediums gerecht zu werden: Die Dialoge überlappten sich, es gab Stimmengewirr, in Reportagemanier gehandhabte Kamera und authentische Typen durch das bis in die kleinste Nebenrolle sorgfältig besetzte Schauspielerensemble. Kreiert wurde Hill Street Blues von Steven Bochco und Michael Kozoll für die Produktionsgesellschaft MTM, die auch Capital News herstellt. Die verantwortlichen Produzenten sind David Milch, der bereits an Hill Street Blues beteiligt war, und Christian Williams, der die Erfahrungen einer langjährigen Tätigkeit für die 'Washington Post‘ einbringt. Harald Keller

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