: Staatssekretär Köhler: Ossis verdienen zu viel
■ Staatssekretär warnt vor Gefahren der Lohnentwicklung
Brüssel (dpa) — Mit ungewöhnlicher Schärfe hat der Staatssekretär im Finanzministerium, Horst Köhler, vor den Gefahren der Lohnentwicklung in ganz Deutschland gewarnt. Wenn sich der große Unterschied zwischen dem Lohnniveau und der tatsächlichen Produktivität verfestige, seien „schwerwiegende volkswirtschaftliche Schäden zu befürchten“, sagte Köhler in Brüssel am Rande des Treffens der EG-Wirtschafts- und Finanzminister. Er reagierte dort auf Sorgen der Partnerländer über die finanzpolitischen Probleme der Deutschen und wies nach seinen Worten „auf bedenkliche Fehlentwicklungen“ hin.
In den westlichen Bundesländern liefen die Tariflöhne mit einem Zuwachs von bis zu acht Prozent dem Produktivitätszuwachs von bis drei Prozent deutlich voraus. Es werde deshalb zu höherer Preissteigerung oder geringeren Gewinnmargen mit negativen Auswirkungen auf die Investitionen kommen. In den östlichen Bundesländern betrage der Abstand zwischen der Produktivität (rund 25 Prozent des Westniveaus) und der Entlohnung (rund 50 Prozent des Westniveaus) rund 25 Prozent, bis 1994 wahrscheinlich bis zu 40 Prozent, meinte Köhler. Rein rechnerisch ergebe das einen Zuschußbedarf zwischen 100 und 200 Milliarden DM jährlich.
Fehlentwicklungen wie diese müßten rechtzeitig korrigiert werden. Die Lohnentwicklung könne so nicht weiter gehen: „Hier liegt für mich der Schlüssel des Korrekturbedarfs“, meinte Köhler. Außerdem gehe ein zu großer Teil der nach Ostdeutschland gepumpten Mittel direkt in den Verbrauch: „Es gibt eine Schieflage zulasten der Investitionsquote und der Schaffung von Arbeitsplätzen.“ Der Strukturwandel müsse aber Vorrang vor der sozialen Flankierung haben. Köhler: „Man kann nicht alles in Watte packen.“
Als zweiten wichtigen Korrekturhebel des finanzpolitischen Kurses nannte Köhler die Ausgabenbegrenzung und kritisierte dabei die Haltung der Bundesländer. Die Konsolidierung der Staatsfinanzen dürfe nur noch über die Ausgabenseite gehen. Diese werde aber gefährdet durch eine völlig schiefe Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern.
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