piwik no script img

Eine interimistische Insel in Zwickau

Unterm Friedenszentrumsdach/ „Wir wollen noch mehr Gruppen und Initiativen ins Haus holen“  ■ Von Thomas Voit

Zwickau. Monika Dressel hatte den richtigen Riecher, als sie sich im Oktober 89 während der zweiten Montagsdemo in Zwickau entschloß, OB Fischer im Rathaus aufzusuchen und zu fragen, ob er denn nicht der Einrichtung eines Friedenszentrums zustimmen würde. Herr Fischer, von ganz anderen Sorgen geplagt und sicher vom Treiben vor seiner Rathaustür beeindruckt, sagte zu.

Für Monika Dressel und ihre Freunde aus der Friedensbibliothek und den Bürgerbewegungen war das erste Problem gelöst. Das zweite, das für das Zentrum in Frage kommende Haus, Innere Plauensche Straße 16, steht im Stadtzentrum, unmittelbar neben der Einkaufspassage Plauensche Straße. Die Begehung mit einem Bauingenieur aus der Gruppe der Initiatoren des Friedenszentrums brachte einen positiven Bescheid, obwohl das Haus fünf Jahre leer stand und — völlig heruntergewirtschaftet — baupolizeilich gesperrt war. Anfang November 89 begann die Instandsetzung. Die Kosten trug die VEB Gebäudewirtschaft (heute: Wohnungsbau GmbH). Die vom Friedenszentrum beantragte finanzielle Unterstützung von 60.000 Mark (Ost) bewilligte Oberbürgermeister Fischer.

Am 18. April 1990 wurde der gemeinnützige Verein „Friedenszentrum Zwickau e.V.“ gegründet, das Fiedenszentrum am 1. September 1990 eröffnet. Matthias Steindorf, einer der vier Zivildienstleistenden, die im Friedenszentrum arbeiten: „Wir organisierten zu diesem Anlaß einen Aktionstag. Im Friedenszentrum gab es eine Briefmarkenausstellung über Dr. Martin Luther King und die Bürgerrechtsbewegung in den USA zu sehen, vor dem Haus Informations- und Verkaufsstände. Die Attraktion war ein drei Meter hohes Segment Berliner Mauer, das wir an der Ecke Plauensche Straße/Magazinstraße aufstellten, ein ,Geschenk‘ des DDR-Abrüstungsministers Eppelmann.“

Fortan arbeiten unter dem Friedenszentrumsdach verschiedene alternative Vereine und Aktionen: Im November 1990 wurde der „Dritte- Welt-Basar“ eröffnet. Dienstag, Mittwoch (16 bis 18h) und Donnerstag (16 bis 20h) werden hier Kaffee, Tee, Gewürze, Kinderspielzeug, handgewebte Teppiche angeboten. Diese Waren werden von der GEPA (Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt mbH) geliefert, die mit Selbsthilfegruppen und Genossenschaften aus Afrika, Asien und Lateinamerika zusammenarbeitet. Seit dem 1. Juni gibt es hier ein Mütterzentrum. Monika Dressel: „Die Mütter kommen raus aus ihrer Isolation, können miteinander sprechen oder wissen ihre Sprößlinge während eines Einkaufs in guter Obhut. Eine Kindergärtnerin ist in Rahmen einer ABM-Stelle dafür eingestellt. Geöffnet ist Dienstag bis Donnerstag, 9 bis 18h.“

Das Ausländerbegegnungszentrum CABANA e.V. unterstützt, betreut und berät hier Asylanten bei der Wohnungs- und Arbeitssuche. Vier ABM-Kräfte sind damit beschäftigt. Zum Veranstaltungsplan zählen Länderabende mit Filmvorführungen und Diskussion ebenso wie eine Afrikanische Diskothek.

Außerdem nutzen die Waldorfinitiative Zwickau e.V., der Arbeitslosenverband Sachsen e.V. sowie die IG Stadtökologie die Räume. Das Friedenszentrum bietet jeden Donnerstag in der Zeit von 17 bis 19h Beratung für Kriegsdienstverweigerung und Zivildienst an. Zweimal wöchentlich sind Arbeitslose, Strafentlassene und Obdachlose zum Frühstück eingeladen.

Am 24. Juni eröffnete im Rahmen eines Israel-Tages Ron Prosor, israelischer Botschaftssekretär, eine Ausstellung mit Kinderzeichnungen und Gedichten aus Israel. Bis Ende des Jahres sind folgende Ausstellungen geplant: Frauenangst(t)räume (August), Hunger in der Dritten Welt (September), amnesty international (Oktober), Aids (mit Beratung und Informationsveranstaltungen, November), John Lennon (Dezember). Prominenten Besuch hatte das Friedenszentrum bereits auch:

Während seines Aufenthaltes in Zwickau anläßlich einer DGB- Kundgebung am 1.Mai 1991 informierte sich Hans-Jochen Vogel, Ex- Vorsitzender der SPD, über das Friedenszentrum. Die neue Stadtverwaltung — in Zwickau regiert inzwischen nicht mehr Herr Fischer von der SED, sondern die CDU — scheint angesichts solcher Vielfalt und Aktivität auch auf ein solches Haus in ihrer Stadt nicht mehr verzichten zu wollen. Im Konflikt mit dem alten Eigentümer, der seinen Anspruch auf das Haus geltend machte, entschied sie sich für das Friedenszentrum. Der Eigentümer wird entsprechend der Regelungen im deutsch-deutschen Einigungsvertrag entschädigt.

Mathias Steindorf: „Wir haben noch eine Menge vor. Im Erdgeschoß sollen der ,Dritte-Welt-Basar‘ als Laden sowie ein Café eingerichtet werden. Der Umbau des Dachgeschosses zur Pension für Gäste des Hauses und der Stadt Zwickau muß beendet werden. Außerdem wollen wir noch mehr Initiativen und Gruppen ins Haus holen.“

Alles kein Problem, wäre da nicht die finanzielle Seite: Die Umbaukosten des Hauses zahlt die Gebäudewirtschaft, die ABM- und Zivildienststellen kosten auch nichts, aber alle anderen Kosten müssen von den Mitgliedern des Vereins getragen werden. Monika Dressel: „Wie wir die nächste Energierechnung bezahlen sollen, ist unklar.“ Das Friedenszentrum ist also dringend auf Spenden angewiesen.

(Konto-Nr.: 5932-32-40421, BLZ 87055932, Stadt- und Kreissparkasse Zwickau).

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen