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Künstler pfeifen auf allen Startlöchern

■ Musik, Kunst und Tanz zwecks Olympia-Akzeptanz

Berlin-dezentral. Berlin in diesem Herbst: Kunstausstellungen an Sportstätten, Kompositionen mit Sportgeräuschen, Siegerehrungsmusik für Polizeiorchester und Percussion, Fahrradklangexperimente zur Radsportveranstaltung Performances im Schwimmbad, philosophische Exkursionen zu »Utopien des Körpers« und schließlich sogar Diskussionsforen, die den ganzen Rummel reflektieren, den sie selbst miterzeugen: Ab Herbst tanzt alles nach Olympia. Da sitzt das Geld.

Immerhin eine Million hat Kultursenator Ulrich Roloff-Momin jüngst aus seinem Sparhaushalt zusammengekratzt. Die große Sache sei es wert: »Wer die Olympiade will, darf in der Vorbereitung nicht mit dem Pfennig fuchsen«, sagte der Senator gestern bei der Vorstellung des diesjährigen Kulturprogramms zwecks Förderung der »Akzeptanz« Berlins als Olympiastadt — nicht nur beim IOC, sondern auch bei der gemischtfühlenden »Berliner Bevölkerung«. Und da es gelte, »deutlich zu machen, daß Szene und vor allem Off- Szene« nur profitieren könnten, hat man sich jetzt die »Werkstatt Berlin« ausgeguckt, auf daß diese dezentralste und antirepräsentative Olympiakultur produziere. Denn was schon die Volksvertreter zur Hauptstadtantwort verführte, soll nun auch die Sportfunktionäre ködern: die »kulturelle Vielfalt« als Allzweckwerbewaffe. Seit 1988 präsentiert die »Werkstatt Berlin« unter der Leitung von Nele Hertling kulturelle Experimente, in Hinterhöfen und an anderen Spielstätten bzw. »Austragungsorten«, wie der Kultursenator jetzt sagt.

Da dachte man sich, daß sich genau hier eine »Dynamik hin zur Thematik Sport und Kultur« entwickeln könnte und flugs ward die »Werkstatt« zur »Olympia-Werkstatt« gewendet.

Wie einst die Kunst »zum Arbeiter« vor die Fabriktore ging, soll sie nun vorm Stadion den Sportfan erbauen — auch dafür sei die »Werkstatt« geeignet, denn sie hat Erfahrung mit dem kulturellen Streetwork »vor Ort«. Und die städtischen Künstler? Ja, die haben Erfahrung mit der städtischen Themenmonopolisierung: Stadtgeschichte 1987, 1988 Europa und die Avantgarde — jetzt halt Sport. Von (Selbst-)Zensur keine Spur, wenn sich die Infusions-Kunst bis zur Jahrtausendwende nur noch mit diesem topbrisanten Thema beschäftigt! Riedle

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