: Die ewigen Verlierer gehören in den Osten
Perschau verpatzte Dreifachen Rittberger zum Hamburger Bürgermeisterstuhl/ Jetzt dreht er Pirouetten in Münchs Kabinett ■ Von Eberhard Löblich
Magdeburg. Bei der SPD löste die Nachricht zunächst nur verständnisloses Kopfschütteln aus: Ausgerechnet Hartmut Perschau (CDU) wird der neue Innenminister von Sachsen- Anhalt. „Die Regierungskrisen in den neuen Ländern dienen wohl jetzt dazu, die ewigen Verlierer aus den alten Bundesländern doch noch zu versorgen“, kommentierte Peter Mart, der Landesgeschäftsführer der Sozis, diese Personalentscheidung des neuen Ministerpräsidenten Werner Münch. Hartmut Perschau ist so ein ewiger Verlierer. Dreimal trat er in Hamburg an, die SPD-dominierte Mehrheit in der Bürgerschaft in eine CDU-dominierte umzumünzen. Dreimal unterlag er.
Von seiner Partei trotzdem mit allerhöchstem Lob bedacht, wurde Perschau aus dem Licht der Öffentlichkeit herausgenommen und im Straßburger EG-Parlament zwischengelagert. Dort hat er sich vorzugsweise mit Entwicklungen und „Dritte Welt“-Politik beschäftigt. Möglich, daß ihm das jetzt im Entwicklungsland Sachsen-Anhalt zugutekommt. Jedenfalls wird Perschau seinen Teil dazu beitragen, daß der Landtag von Sachsen-Anhalt klammheimlich zum Manövergebiet der Bundeswehr wird. Er ist nicht der erste, sondern nur ein weiterer Berufssoldat, der im Parlament oder im Kabinett in Magdeburg Politik macht. Als Major ließ er sich 1974 in den einstweiligen Ruhestand versetzen, damals winkte der lukrative Einstieg in die Politik. Er zog in die Bürgerschaft ein und avancierte gleich zum parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Fraktion. Über weitere Stationen der politischen Karriereleiter stolperte er 1981 erstmals in die Position des CDU-Fraktionsvorsitzenden und SPD-Herausforderers. Eine Position, die er trotz der zahlreichen Skandale des SPD-Senats nie richtig ausfüllen konnte. Die Bürgerschaft ist eben kein Kasernenhof.
Aller guten Dinge sind drei, und als Perschau es auch im dritten Anlauf nicht schaffte, Regierender Bürgermeister von Hamburg zu werden, schickte man ihn nach Straßburg. Dort traf er „gelegentlich“, wie er sagt, auch Werner Münch, den die niedersächsische CDU dorthin verschoben hatte, um ihm seine Ambitionen auf Amt und Würden in Hannover zu dämpfen. Die Zunahme an Bundesländern durch die Vereinigung bescherte jetzt allen beiden eine wenn auch späte, so doch echte politische Karriere.
Erfahrungen haben sie alle beide, ganz im Gegensatz zum neuen Finanzminister von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU). Dessen politischer Background begann erst lange nach der Wende in der damaligen DDR. Bis Sommer 1990 war er „überzeugt parteilos“. Dennoch gelang es ihm, im SED-Staat Medizin zu studieren und zum Chefarzt zu avancieren. Allerdings nicht in einem staatlichen Krankenhaus, sondern in einer Klinik des Diakonischen Werks in Wittenberg. Wenn Böhmer künftig finanzpolitische Fragen so vorsichtig anfaßt wie eine Frau, so hat das seine Gründe. Der neue Etatverwalter ist nämlich gelernter Gynäkologe. „Und ihn zum Minister zu machen, war eine echte Zangengeburt“, flachst Ministerpräsident Münch. Denn Böhmer, der auch als Landtagsabgeordneter immer noch seine Dienste in der Wittenberger Klinik wahrnahm, wollte sich eigentlich gar nicht so recht in die Kabinettsdisziplin einbinden lassen.
Auf etwas längere Politikerfahrungen kann die neue Ministerin für Städtebau, Raumordnung und Wohnungswesen zurückblicken. Petra Wernicke machte zwar als landwirtschaftspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion bislang noch nicht sonderlich auf sich aufmerksam, aber immerhin so viel, daß Werner Münch sie wahrnahm. Nun steigt sie eine Diätenklasse höher, und selbst CDU-Abgeordnete hoffen, daß durch diesen Karrieresprung die Landwirtschaftspolitik der christdemokratischen Landtagsfraktion etwas mehr an Profil gewinnt.
Die neue Ministerin trat vor neun Jahren in die Deutsche Bauernpartei ein und gehörte bis zur Fusion mit der CDU gute vier Jahre dem DBD- Kreisvorstand in Hettstedt an. Eine Funktion, die die gelernte Diplomagrar-Ingenieurin auch nach der Fusion nicht aufgeben mußte. Fortan saß sie eben im Hettstedter CDU- Kreisvorstand.
Köpfe rollten auch in der Staatskanzlei. Zwei Arbeitsplätze von Staatssekretären sind dort vorläufig vakant. Kaum als Ministerpräsident im Amt, schickte Werner Münch den Leiter der Staatskanzlei Karl Gerhold und den Regierungssprecher Michael Gentsch in die Wüste. Ironie des Schicksals: Am Tag seines Abschieds bekam Gentsch endlich seine schon lange georderten Visitenkarten, die ihn als Staatssekretär und Regierungssprecher ausweisen. In der Landespressekonferenz warf er mit den nun wertlosen Kärtchen um sich wie mit Konfetti.
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