: Palästinensische Gefangene beenden Hungerstreik
Gefangene in der israelischen Negev-Wüste hungerten zwei Wochen für bessere Haftbedingungen/ Kompromiß zwischen Anwälten und Lagerleitung/ Warmes Wasser für Gefangene/ Rechtspolitiker kritisiert „Ferienlageratmosphäre“ im Gefängnis ■ Aus Tel-Aviv Amos Wollin
Die 240 palästinensische Häftlinge im israelischen Gefängnis Nafha brachen am Montag ihren am 23.Juni begonnenen Hungerstreik ab, nachdem sich die israelische Gefängnisverwaltung bereit erklärt hatte, eine Reihe der Forderungen der Streikenden zu erfüllen. Der als „unbefristet“ angekündigte Streik richtete sich gegen die Haftbedingungen in dem in der Negev-Wüste gelegenen Gefängnis. Aus Solidarität waren Häftlinge in mindestens sieben weiteren Gefängnissen in Israel ebenfalls in befristete Hungerstreiks getreten, die ebenfalls am Montag abgebrochen wurden.
Die israelischen Behörden erfüllten nur einen Teil der Forderungen. Über noch strittige Fragen soll jetzt, nach Beendigung des Streiks weiter verhandelt werden. Erfüllt wurden die Forderung nach Aufhebung der während des Golfkriegs verhängten Sanktionen, wie etwa die Einschränkung der Arbeitsmöglichkeiten. Die Gefangenen dürfen wieder Zeitungen und Zeitschriften lesen und verschiedene Maßnahmen, die die Licht- und Lufzufuhr in den Zellen einschränkten, werden abgeschafft. Politischen Gefangenen ist es ab sofort erlaubt, eine Waschmaschine zu benutzen. Kleidung wird in Zukunft von der Gefängnisbehörde und nicht wie bisher von den Angehörigen der Gefangenen gestellt. In Einzelzellen strafverlegte Gefangene sollen in ihre ursprünglichen Zellen zurückgebracht werden. Kranke Häftlinge werden in das Gefängnishospital eingeliefert. Weiterhin steht den Gefangenen zukünftig warmes Wasser zur Verfügung. Besuche auch männlicher Familienangehöriger werden erlaubt.
Am Dienstag legte der Polizeikontrolleur, Reservegeneral Abraham Adan, der Knesset-Komission für innere Angelegenheiten seinen Bericht vor, in dem er die Gefängnisverwaltung beschuldigte, den „Burgfrieden“ in Nafha durch Kompromisse mit den Gefangenen „erkauft“ zu haben. Der Bericht wurde nicht veröffentlicht und auch die Knesset-Mitglieder durften nur kurz Einsicht in das Dokument nehmen. Nach Auskunft des Vorsitzenden der Knesset-Komission, dem Likud-Abgeordeten Jehoschua Matza, kritisiert der Bericht unter anderem, daß nach dem Kompromiß die Mitglieder von palästinensischen „Terrororganisationen“ in gemeinsamen Zellen sitzen dürften, was den Gruppen ermögliche, auch innerhalb der Gefängnisse ihre Strukturen aufrecht zu erhalten. Zudem hätten nun die Mitglieder verschiedener einzelner Gruppen die Möglichkeit, bei gemeinsamen Spaziergängen im Gefängnishof zu „konferieren“ und sich gemeinsam islamische Predigten anzuhören, „die oft subversive Inhalte haben“. Mit den Gefangenen seien Arrangements getroffen worden, die ihre Führer zu den „eigentlichen Lagerkommandanten“ machten.
Polizeiminister Roni Milo erklärte, daß er die Kritik des Berichts ernst nehme und die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen werde. Der erst seit zwei Monaten im Amt befindliche Kommandant der Gefängnisbehörde Abi Amir erklärte, daß alle in dem Bericht genannten Änderungsvorschläge durchgeführt würden.
In der Debatte sagte der Abgeordnete der rechts außen stehenden Tehya-Partei, Eliakim Haezni, daß die Sicherheitsgefängnisse für Palästinenser nun „so bequem wie Ferienlager“ würden. Der Abgeordnete der Arbeiterpartei, Michal Goldmann, klagte dagegen über die Überfüllung der Gefängnisse. In den vergangenen zehn Jahren seien mehr als eine halbe Million israelischer Bürger in Untersuchungshaft genommen worden, von denen aber nur zehn Prozent vor Gericht gestellt worden seien. Die israelische Polizei neige dazu, zahlreiche Verhaftung ohne Prüfung vorzunehmen und damit die Bürgerrechte zu verletzen.
Insgesamt sitzen rund 17.000 palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen, zum Teil in Lagern und Gefängnissen des Militärs, zum Teil in Gefängnissen, die der zivilen Gefägnisbehörde unterstehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen