Charmante Ungeheuer

■ Charla Drops und Luna Luder rühren im Unart ihre Urne um

Staubiges Vergnügen für Freunde des Makaberen

Monster, Mythen, Mutationen — unter diesem Motto könnte das neueste Programm von Charla Drops stehen. »Rühr meine Urne um. Seelenwirbel & Aschentänze« lautet der sinnige Titel ihrer Tanz- und Theaterproduktion im Unart. Dort erblicken charmante Ungeheuer das Kunstlicht der Bühne, spielen ein wenig mit ihren Eingeweiden und lassen wohliges Gruseln zurück. Gemeinsam mit ihrer Partnerin Frau Luna Luder alias Evi Hass tut Charla Drops einen tiefen Blick in Grüfte und ähnlich gottverlassene Orte.

Mit perfekter Körperbeherrschung bewegen sich Zombies auf uns zu, etwa eine von Pfeilen durchbohrte antike weibliche Gestalt. Nur das imaginierte Getroffenwerden von neuen Wurfgeschossen hält diese Alptraumfigur davon ab, dem Publikum auf den Schoß zu steigen. Und nicht nur an dieser Stelle dankt die Rezensentin ihrem Schöpfer, in einer der hinteren Reihen zu sitzen. Doch das Schaudern ist mit Witz gebrochen; hier werden Leidensposen eingenommen wie ansonsten Bodybuilder Muskeln zeigen.

Charla Drops bricht das Makabere mit Satire und augenzwinkernder Ironie. Aus den unmöglichsten Öffnungen der winzigen Bühne quellen die hohläugigen Verblichenen und merkwürdigen Fabelwesen, wie beispielsweise der Wer-Wie-Was-Wolf. Da doziert ein kleiner schwarzer Alb über die Winzigkeit des Jenseits, das möglicherweise in einer alten Schreibtischschublade Platz hat und redet von Wiedergeburtenkontrolle.

Die Stimmen kommen unwirklich verzerrt mit Hall aus dem Off. Charla Drops und Eva Hass setzen Alptraumszenarien virtuos in Szene, um sie ebenso witzig wie überraschend wieder aufzulösen. Am phantastischsten gelungen ist dies beim Striptease einer Sprechpuppe (!), die bis auf die metallische Membran auf dem Bauch ihres fleischfarbenen Trikots perfekt ist. Ihr fragendes »Mama?« weht über die Bühne, während sie, nackt bis auf die Lackschuhe, automatenhaft einen Orgasmus zuckt. Der Tod ist der heimliche Regisseur der Szene, die er gemeinsam mit dem Teddy und einem Kopf auf Rädern beobachtet. Zu Beginn leuchtet auf der schwarzen Bühne ein überdimensionales Auge in einer Tür. »Auferstehung des Fleisches« ist der böse Titel dieser Szene.

Von Eva Hass, die gemeinsam mit Charla Drops das Buch schrieb, stammen die bis ins Detail stimmigen Kostüme. Mehr als einmal bestimmt morbides Stummfilmpathos die übertrieben-dramatischen Bewegungen. Erfrischend menschlich wirken dagegen die Eifersüchteleien des »Doppelkopps«, natürlich auch eine Mutation. Gemeinsam in einem riesigen historischen Kostüm geben die beiden Akteurinnen alte englische Schlager zum Besten, begleitet von typischen Bühnengesten und hochgiftigen Blicken.

Der hier aufblitzende Kick Menschlichkeit fehlt ansonsten ein wenig dem morbiden, technisch perfekten Programm, das das Lachen immer mit dem Frösteln der Seele mischt. Freunde des Makaberen werden dennoch ihre helle Freude daran haben. Pia Rehberg

Fr-Di im Unart, 21.30