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Berlin, Comics und The Dealer — eine Story

■ Ein Rundgang durch die Präsentationsorte der bunten Bildchen

Der Umsatz der deutschen Comicbranche hat erst einen Umfang erreicht, die anderweitig einen Buchkonzern noch nicht einmal zur Einstellung eines Produktmanagers veranlaßt hätte. Nachwievor separiert der Comichandel sich vom traditionellen Buchgewerbe — oder wird separiert. Oftmals gelten intern im Comicgeschäft noch nicht einmal die Regelungen des Verlagsabgabepreises, der ansonsten von allen Verlagen und Händlern eingehalten werden muß. Außer der Frankfurter Versand-Firma Riedel&Krebs gibt es in Deutschland keine größere Vertriebsfirma, die sich auf das Comicgeschäft spezialisiert hat. Die kleineren Verlage sind ohnehin selten in der Lage, den Rabbat zu zahlen, und vertreiben darum oft als Hausversand und direkt an die Läden.

Doch die potentielle Leserschaft für Comics ist in den letzten fünfzehn Jahren sprunghaft gestiegen; die jährlich edierte Albenzahl inklusive der Importe liegt bei über 600 im Jahr, der Markt ist unübersichlicher geworden und erfordert Profis, die kundengerecht anbieten können. Wer in Berlin Comics nicht nur lesen, sondern auch sammeln will, für den an dieser Stelle ein Überblick über die Dealer der bunten Bilder in der neuen/alten Hauptstadt. Pfrzzt!

Die allererste Comic-Ausstellung in Deutschland fand in Berlin statt. 1972 wurde die vordem im Pariser Louvre gezeigte Exposition »Band Dessinée et Figuration Narrative« an die Berliner Akademie geholt. Besucherzahl: 12.000. Kurz darauf ging die Sammlung in die Kleinstadt Helsinki. Besucherzahl: 40.000! Erst der APO- Aufbruch und seine Underground-Comix belebten den trockenen deutschen Markt, der in Hans Rudi Wäscher (Lehnig-Verlag; »Sigurd«) nostalgierte. Berlin wurde eine der Hochburgen der neuen Szenerie. Hier arbeiteten und arbeiten die Ex-Münchner Hansi Kiefersauer und Gerhard Seyfried, hier hat der Rotbuch-Verlag seinen Sitz, in dem das Münsteraner Zeichner-Ehepaar Mali&Werner 1974 die ersten pop-artigen Alben produzieren konnte. Mittlerweile existieren mit dem Gerhard Leue Verlag und dem Verlag Reprodukt zwei weitere Comic- Verlage in Berlin. Leue tritt eher selten in Erscheinung, und Reprodukt hat erst ein einziges, wenn auch vielversprechendes Album (Jaime Fernandez: »Der Tod von Speedy«), herausgegeben. Im Osten gab es und gibt es noch (?) den Verlag Junge Welt und seine Bildergeschichten-Hefte »Mosaik« und »atze«, den Underground-Verlag Oppossum und seine Fanzines »Messitsch«, »Krise im Aufbruch« (eingegangen) und »Fischmarkt« (eingegangen. Außerdem die in Eigenproduktion edierten Fanzines der Comic- Künstlergruppe »RenAte« und »Comic- Mag«. »Messitsch« hat mit der im Henschelverlag erschienen Rock-Zeitschrift NMI fusioniert. Die erste Nummer erschien im Mai. BasisDruck Berlin verlegte im Mai 1990 die Anthologie »Leichtmetall«. Inhalt: 42 Comic-Zeichner aus der Ex-DDR. Markterfolg: Null, oder Nullkommazwei (Scheiße!).

Auch auf dem Sekundär-Sektor hat Berlin einige Aktivisten zu verzeichnen. Die Händler Poschmann und Krägermann und ihre »Krägermann-Leipolt Antiquariat« im Putenweg 92, 1-47, und der »Krägermann- Leipolt Galerie« in der Maximilian-Keller- Straße 30, 1-48, sind bei älteren Sammlern gut bekannt geworden. Das Team ist auf allen Flohmärkten zuhause und richtet außerdem die alljährlich im Herbst unter dem Funkturm stattfindenen »Berliner-Comic-Tage« als Börse und Tauschmarkt aus. Der selbstständige Carsten Laqua gilt als sachkundiger Händler von originalen Comicgraphiken und alten Serien. Nicht zu vergessen der Berliner Comic-Veteran Peter Skodzik, der schon 1972 eine hektographierte Liste der deutschsprachigen Comics herausgab. Mittlerweile sitzt er in der Goltzstraße inmitten seiner Schätze. Skodzik gibt den für Deutschland maßgebenden »Comic- PreisKatalog« bei Hethke heraus. Skodzik hat außerdem die bei Ullstein erschienene »Deutsche Comic Bibliographie« zusammengestellt. In ihr findet sich alles, was je in Deutschland unter dem Titel »Comic« oder »Bildergeschichte« herausgegeben wurde — auch aus der DDR. Erwähnt werden sollte außerdem die Stadtillustierte zitty, die mit ihrem Zeichner Phil Tägert einen Band produzierte, und der Comicaze Verlag, der 1982 ein beachtenswertes Buch über Trickfilme herausbrachte (Dr. Rolf Giesen: »Das große Buch vom Zeichenfilm«). Auch einen Comic über Berlin gibt es: R. Torti bei Splitter 1990 mit: »Die Fälle des Jan Karta. WEIMAR.« Berlin im Jahre 1925 — eine Kriminalgeschichte.

Als erster regulärer Comic-Laden gilt in Berlin Skodziks Roman Boutique in der Goltzstraße. Skodzik bietet hier allen Sammlerschichten erstklassiges antikes Material an. Reprints, Nachauflagen und das komplette deutschsprachige Programm zudem. Skodzik kann — was Fachkundigkeit betrifft — durchaus als erste Adresse für Sammler in Berlin angesehen werden. Seit 1976 betreibt Skodzik seinen Laden. Wesentlich jünger — und daher auch ein anderes Zielpublikum ansprechend — ist Comic Art in der Kantstraße. Die schicke Handlung in properer Lage reussiert auf die shoppende Laufkundschaft. Seit November 1989 bieten die zwei Betreiber ein komplettes deutsche Buchprogramm — ohne Remittenden und second hand — in witziger Aufmachung an. Merchandising für die bessere Kundschaft (Tims Mondrakete aus Stahlblech für 1.400, oder das U-Boot von Käpt'n Haddock für 260.-) ist die Spezialität des Comic-Teams. Natürlich gibt's auch Marsus, Sticker, Plakate und Puppen. Comic Art dürte sicher der einzige Berliner Comic-Laden mit einer positiven Bilanz sein. Leider konnte man keine Angaben zu den Auswirkungen auf den Umsatz nach der »Vereinigung« machen.

Wenn sich noch nicht einmal in so günstiger Verkaufslage ein Anstieg der potentiellen Läuferscharen nach dem Herbst 89 bemerken läßt, so konnten alle anderen Händler erst recht keine Angaben zu diesem Fakt machen. Der Ost-Berliner Käufer gilt aber allgemein als schwieriger Comic- Kunde: glotzen, grapschen, gammeln. Nörgeln, mäkeln — und wieder gehen. Lediglich der Grobe Unfug bekam kurz nach der Wende eine Vielzahl von Angeboten betreffs Verkauf der ostdeutschen Kult-Serie »Digedags« — dies allerdings zu völlig überzogenen Vorstellungen, was die Preislage betraf. Der Grobe Unfug profitiert zudem (auch bei Ostberlinern) von der Galerie, in der mit dem Ex-Leipziger Schwarwel (Thomas Meitsch) auch schon ein »Ossi« ausstellen durfte. Im Frühjahr darf dies dann auch die Ostberliner Comic-Gruppe »RenAte« (14 Mitglieder) tun. Der »GU« in der Zossener Straße befindet sich in den Räumen des Berliner Tierschutzvereins und hat vor einigen Jahren die ehemaligen Arbeitsräume von Elephanten Press hinzugemietet, als diese in die Oranienstraße zogen, um dort die Preise hochzutreiben. Hier befindet sich nun die wohl witzigste Berliner Comic-Galerie. Der Laden ist zweietagig: oben umfangreiches und bestes Material aus Übersee, Japan und England, dazu Merchandising und Plakate; unten das komplette deutsche Neuprogramm. Sachkundige Beratung und fachkundiger Verkauf. Das Zielpublikum bei jung und links, Verkaufszahlen steigend. Boom also allenthalben.

Wer in der Nähe der Wilmersdorfer zu tun hat, sollte in die Zillestraße hineinschauen. Media Buch hat nach dem Groben Unfug das größte fremdsprachige Comic-Programm innerhalb Berlins anzubieten. Außerdem werden — wie in einigen anderen Läden auch — Platten angeboten. Der Second-hand-Bereich ist sicher nicht so gut sortiert wie bei Skodzik oder dem »GU«, darf sich aber sehen lassen. Media Buch kann sicher zu den Profis gezählt werden.

Nun noch zu den Galerien: Die Verkaufs- und Werkstatt-Galerie »PGH Glühende Zukunft« in Ostberlin räumt gründlich mit dem westlichen Vorurteil auf, daß der Osten keine Comics machen könne. Hier werden Originale und Plakate verkauft, die sich ansonsten nur noch in Sammlungen finden lassen. Die Plakatkünstler Wagenbreth und Feuchtenberger, der Graphiker Beck und der Cartoonist Fickelscherer sorgen demnächst in der Galerie am Chamissoplatz (Eröffnung: 13. Juli, 20 Uhr) für Wind aus dem Osten. Initiiert wurde die Gruppe kurz nach dem Fall der Mauer, die dann von Wagenbreth und Fickelscherer am Übergang Bernauer Straße im Wedding medienwirksam bemalt wurde.

Die kleinste Galerie von allen befindet sich in Weißensee. Vormals dem Kulturhaus Peter Edel zugehörig, ist sie dieser Tage von der agilen Comic-Truppe »RenAte« okkupiert, die schamlos eins ihrer Mitglieder nach dem anderen in den winzigen Räumen dieser Galerie featuret. Zur Zeit: Christian Huth mit »Die Spinner«. Volker Handloik

Adressen und Daten siehe Seite 2

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