: Humboldt-Uni prüft Verfassungsklage
■ Der Akademische Senat der HU will morgen über eine Klage gegen die Abwicklung entscheiden/ Europäische Hochschullehrer raten zum Gang nach Karlsruhe/ FU-Romanist Hempfer: HU darf nicht »letzte Fluchtburg einer gescheiterten Ideologie« sein
Mitte. Die Humboldt-Universität will nun doch versuchen, die letzte Runde im Abwicklungsstreit zu gewinnen. Morgen wird der Akademische Senat darüber entscheiden, ob beim Verfassungsgericht in Karlsruhe gegen die Abwicklung von Bereichen der Universität Klage eingereicht wird. Das gab der Rektor Heinrich Fink gestern im Rahmen einer internationalen Tagung zu Fragen der Autonomie von Hochschulen bekannt.
Bereits vor einem Monat hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin entschieden, daß die Abwicklung rechtswidrig sei, da die betroffenen Bereiche nicht aufgelöst, sondern neustrukturiert werden. Im Wege der einstweiligen Verfügung wurde dem Senat untersagt, einzelne Fachbereiche als aufgelöst zu betrachten und abzuwickeln. Mit dem Gang nach Karlsruhe könnte die Universität den Plänen des Wissenschaftssenators Manfred Erhardt zuvorkommen. Der CDU-Politiker wollte nach dem Urteil des OVG in die nächste Instanz und notfalls vor das Verfassungsgericht gehen, um die Abwicklung durchzusetzen.
Auf der Tagung setzten sich auch Vertreter europäischer Universitäten für den Erhalt der Hochschulautonomie der Humboldt-Universität ein. Der belgische Professor Lode von Outrive bekannte, daß die Pläne des Senats, den meisten Hochschullehrern in den Gremien der Universität kein Stimmrecht zuzugestehen, mit Sorge beobachtet werden. Er habe seinen Berliner Kollegen geraten, gegen das entsprechende Gesetz Verfassungsbeschwerde einzulegen. Die Hochschulerneuerung in den neuen Bundesländern sei kein rein innerdeutsches Problem, sagte van Outrive. Bei Konflikten um die Schließung von Fachbereichen sollten Vertreter europäischer Universitäten herangezogen werden.
Dagegen hatte sich am Wochenende der Vorsitzende des konservativen Bundes Freiheit der Wissenschaft, der Berliner Romanist Klaus. W. Hempfer, gegen die Errichtung von »letzten Fluchtburgen einer in jeder Hinsicht gescheiterten Ideologie« und die »Restabilisierung der alten Kader« an den ostdeutschen Hochschulen gewandt. Alles hänge, so Hempfer in der 'Welt‘, von der Besetzung der Struktur- und Berufungskommissionen ab. Ehemalige Leiter sollten genausowenig in diese Gremien entsandt werden wie unqualifizierte Wissenschaftler.
Am selben Tag wurde an der HU eine internationale »Vereinigung zur Verteidigung der Unabhängigkeit und der Freiheit in Lehre und Forschung an Hochschulen und Universitäten« gegründet. Ziel des Gremiums ist es, sich in allen EG-Staaten für die Unabhängigkeit von Wissenschaft und Lehre einzusetzen. Dies sei die Antwort auf die Abwicklungspläne für die HU, sagte der Koordinator des Initiativkomitees, Jürgen Holzapfel. anbau/dpa
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