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Schluß mit dem Ikea-Fernsehen

■ Neue Dimensionen im TV-Bereich/ Ein Interview mit HDTV-Kameramann Horst Zeidler

Das hochauflösende Fernsehen (HDTV) wird in Zukunft die gute alte Glotze ersetzen. Um bei dieser Entwicklung nicht ins Hintertreffen zu geraten, hat das ZDF nicht auf die Fertigstellung europäischer Kameras und Aufzeichnungsmaschinen gewartet. Zum Unbill der europäischen HDTV-Industrie „Eureka“ haben die Mainzer sich das Equipment von den flinken Japanern geborgt. Auf Nippon wird täglich bereits eine Stunde Fernsehen hoch aufgelöst. Warum nun „Unter dem Berg“, die erste deutsche HDTV-Produktion im szenischen Spielbereich, nirgends zu sehen sein wird und was es mit dem hoch auflösenden Fernsehen alles auf sich hat, berichtet Kameramann Horst Zeidler.

taz: Warum wird Unter dem Berg nicht wie vorgesehen auf der Funkausstellung gezeigt?

Horst Zeidler: Es gibt eine offizielle Begründung. Die deutsche Industrie, also „Eureka“, hat sich geweigert, das europäische HDTV-Verfahren mit 1.250 Zeilen bei 50 Hertz vorzuführen, wenn das ZDF parallel sein Ding vorführt. Er wird also nur auf 3sat gesendet, aber im Letterbox- Verfahren mit oben und unten Streifen. Und dann ist es ja zweimal runtertranscodiert. Da bleibt natürlich von dem Bild nichts mehr übrig.

Der Film wirkt sehr statisch.

Das liegt unter anderem an der tableauartigen Inszenierung. Ich glaube, daß man mit diesem Bild gar nicht mehr so viel Geschwenktes vorgeführt zu bekommen braucht. Weil man in der Halbtotalen Gruppen so gut und so deutlich sieht, daß man wirklich anfangen kann, das Bild zu erfahren. Man muß nicht ständig auf Köpfe oder auf Details schneiden. Gespräche muß man nicht auflösen, wie man es im Fernsehen gewohnt ist. Es ist nicht mehr der Guckkasten des herkömmlichen Systems. Es ist wie ein Fenster in der Wohnung. Wenn man weit weg ist, dann sieht man den Rahmen, und je näher man kommt, desto weiter öffnet sich der Blickwinkel.

Welche Auswirkungen hat HDTV auf die Produktion von Fernsehfilmen?

Man wird wesentlich sauberer arbeiten müssen als bisher beim Fernsehspiel. Da konnte man schon mal sagen, ich lasse die Kabel im Hintergrund. Das ist eh nicht zu sehen bei 625 Zeilen. Bei HDTV wird man alles sehen. Es werden nicht viele Leute in der gesamten Branche solche Fernsehspiele oder solche Filme machen können.

Dann ist also endlich Schluß mit dem „Ikea-Fernsehen“?

Richtig. Das sah in den Fernsehfilmen ja nicht nur so aus wie Ikea. Das ist Ikea, weil das ZDF einen Vertrag mit Ikea hat und die Sachen nach dem Dreh wieder zurückbringen kann. Mit HDTV kann man keine Designer-Wohnung mehr mit Ikea ausstatten, weil man beim hoch aufgelösten Bild sofort sieht, daß die Möbel Schrott sind.

Welche Auswirkungen hat das auf die Großaufnahmen?

Ich meine, wir haben bisher, das heißt die letzten 36 Jahre seit 1954, immer solche Fernsehgewohnheiten entwickelt, die der Größe des Bildschirms angepaßt waren. Da war eigentlich die angenehmste Größe die natürliche Größe. Die eins zu eins Abbildung. Daß man also den Kopf des Tagesschau-Sprechers in der Größe sieht, als würde er im Wohnzimmer sitzen. Wenn ich in diesem Maßstab jetzt auf einem größeren Bildschirm operieren will — erreicht werden sollen ja mindesten ein mal zwei Meter —, dann ist das ja plötzlich ein bedrohlich großer Kopf, der da ins Zimmer schaut. Also muß ich etwas zurückgehen, um wieder (fast) eins zu eins abbilden zu können. Das heißt, dann ist auf einmal der ganze Schreibtisch des Nachrichtensprechers mit drin. Man sieht, was unter dem Schreibtisch ist. Und es wird vielleicht so sein, daß man zwei Leute ins Bild setzt. Einer alleine wirkt einfach zu verloren in diesem großen Bild.

Mußten Sie sich eigentlich von Ihrer normalen Arbeitsweise her umstellen?

Die erste Szene werde ich nie vergessen. In einer Küche sitzen ein paar Leute, und ich habe das gemacht wie immer, vom gegenüberliegenden Haus durchs Fenster, von außen die Kantenlichter, innen habe ich aufgehellt und ein paar Spitzen gesetzt — das sah aus wie in der Lindenstraße. Bis wir gemerkt haben, das Bild ist tatsächlich steril, technisch. Bei diesem Bild fehlen gegenüber dem Filmbild eben die Zwischentöne. Das kann diese Technik nicht erzeugen. Und wenn sie noch so viele Zeilen und noch so viele Bildpunkte mehr hat.

Glauben Sie, daß HDTV sich durchsetzen wird?

Also dieses Format auf jeden Fall. Der Bildschirm an der Wand oder die Leinwand an der Wand und den Beamer unter der Decke, das wird Standard. Denn nachdem die Japaner ja nun die Vorreiter sind und in Amerika die Filmfirmen aufgekauft haben, von Universal bis zu Columbia, werden sie mit Sicherheit als Zielvorgabe die Spielfilme auch im Wohnzimmer starten. Dann kostet der Spielfilm eben 100 Millionen Dollar, aber ich kann ihn auf der ganzen Welt am 15. Jannuar in den Wohnzimmern vorstellen. Das ist sicherlich das Ziel, diese Vernetzung. Die Auseinandersetzung um die Sendenorm ist im Grunde längst entschieden. Interview: Manfred Riepe

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