Gedenken am 5. April: Burak bleibt unvergessen!

Mehr denn je gilt es, rechte und rassistische Gewalt als solche zu benennen und rassistische Morde konsequent aufzuklären.

Melek und Gülahmet Bektaş zeigen ein Foto ihres ermordeten Sohnes Bild: dpa

Ein Gastbeitrag der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş

Die Tat als Bekenntnis?

Ein junger Mann wird auf offener Straße von einem Unbekannten erschossen. Der Täter war nach Aussagen von Augenzeugen weiß und zielte auf eine Gruppe Jugendlicher mit Migrationsgeschichten. Der Mord erfolgte nur einige Monate nach der Selbstenttarnung des NSU und die Parallelen sind deutlich: auch die NSU-Täter schossen gezielt auf ihnen unbekannte Menschen – deren Anwesenheit dem neonazistischen Konzept einer homogenen weißen Volksgemeinschaft widerspricht.

So eine Tat geht uns alle an!

Burak Bektaş wurde in der Nacht vom 4. auf den 5. April 2012 ermordet. Die Tat geschah auf offener Straße, gegenüber dem Krankenhaus Neukölln. Er war 22 Jahre alt und unterwegs mit seinen Freunden. Sie unterhielten sich, lachten, hatten Spaß, so die Aussage einer Freundin der Familie. Der Mörder kam wortlos auf die Gruppe zu, schoss mehrmals und ging wortlos. Burak starb noch am Tatort, seine Freunde Alex und Jamal - damals 16 und 17 Jahre alt - wurden lebensgefährlich verletzt und mussten notoperiert werden. Auch heute, acht Jahre nach dem Mord, ist die Tat noch nicht aufgeklärt.

Rechte, rassistische Motivation

Einen weiteren Mord in Neukölln, im September 2015, sehen wir im Zusammenhang mit der Ermordung von Burak. Auch Luke Holland wurde in Neukölln auf offener Straße erschossen. Die Tat wurde dreieinhalb Jahre nach dem Mord an Burak begangen. Die Wohnung des Mörders war voller Nazi-Devotionalien. Der Mörder ist ein Nazi. Sein Name, Rolf Zielezinski, tauchte schon in den Ermittlungsakten von Burak auf. Ermittelt gegen ihn wurde aber nicht. Wäre nach Buraks Tod konsequent ermittelt worden, könnte Luke heute möglicherweise noch leben, so die Eltern von Luke. Der Mörder wurde verurteilt. Aber seine Tat gilt bis heute offiziell nicht als rechter, rassistischer Mord.

Ermittlungen blenden rechte Strukturen aus!

Anders als bei den skandalösen Ermittlungen zu den NSU-Morden, wurden Buraks Familie, Freunde und Bekannte nicht kriminalisiert. Eine Konsequenz aus den NSU-Morden muss aber auch sein, dass bei Straftaten wie dem Mord an Burak ein rassistisches Motiv eingehend überprüft und dokumentiert wird, wie das geschah. Seit 2012 beobachten wir die Tätigkeit von Polizei und Staatsanwaltschaft insbesondere im Zusammenhang mit den Morden an Burak Bektaş und Luke Holland. In den vergangenen acht Jahren konnten die ermittelnden Berliner Behörden uns aber nicht glaubhaft machen, dass sie ein rassistisches Mordmotiv bei ihren Ermittlungen ernsthaft in Erwägung ziehen! Die Ermittlungsbehörden blenden die Einbettung der Täter in rechte Strukturen aus – als hätte es den NSU nie gegeben!

Eine Fehleinschätzung?

Im Juli 2016 wurde Rolf Zielezinski zwar für den Mord an Luke Holland verurteilt, aber er wurde zum Einzeltäter erklärt und die Motivation für die Tat wurde ausgeblendet, geradezu geleugnet. Rolf Zielezinski war bereits im Dezember 2013 von einem Zeugen als möglicher Tatverdächtiger von Burak genannt worden. Dennoch wurde er weder vernommen, noch gab es eine Wohnungsdurchsuchung – obwohl er wegen Waffendelikten aktenkundig war, es Aufenthalt in Tatortnähe gab und er dort familiäre Anbindung hat. Warum wurde Rolf Zielezinski nicht schon im Dezember 2013 im Zusammenhang mit dem Hinweis im Mordfall Burak vernommen?

Zusammenhänge werden nicht untersucht!

Im Mai 2019 wurde eine 30-köpfige Ermittlergruppe (BAO FOKUS) gegründet, mit dem Auftrag, bei den Ermittlungen zur Aufklärung der Serie rechtsextremistisch motivierter Taten in Berlin-Neukölln alle vorliegenden Akten und Untersuchungsergebnisse zu sichten und die Vorgänge aufzuarbeiten, um mögliche lose Enden miteinander verknüpfen zu können. Diesem Anspruch ist die BAO Fokus in keiner Weise gerecht geworden. Weder die Nazigesinnung von Rolf Zielezinski, noch die Parallelen zum Mord an Burak Bektaş haben die Ermittlungsbehörden dazu gebracht, beide Mordfälle als etwas anderes als unpolitische Einzelfälle zu behandeln.

Deutschland hat ein Rassismus-Problem

„Dazu gehört auch, Nazis nicht zu erkennen und nicht als solche zu benennen. Es reicht ganz offensichtlich nicht einmal, neun Menschen aus rassistischen Motiven zu töten, um vom BKA als „Rechtsextremist“ eingestuft zu werden. Das ist unglaublich – und war trotzdem absehbar.“ So die Initiative 19. Februar (Hanau).

Wenn ein Mensch auf offener Straße in Berlin ermordet wird, geht uns das alle an. Von den NSU-Morden haben wir gelernt: Es reicht das Schweigen und die Ignoranz der Mehrheit, während die Minderheit bedroht und angegriffen wird. Diese Strategie darf nicht aufgehen!

Daher rufen wir seither zur Solidarität mit der Familie und den Freunden von Burak auf. Wir rufen auf, rechte und rassistische Gewalt als solche zu benennen. Von rechtem und rassistischem Terror bedrohte Menschen zu schützen. Taten von Nazis nicht zu vertuschen. Ihre Gewalttaten aufzuklären. Wir fordern angemessenes Gedenken und Entschädigungen für Opfer und Hinterbliebene. Wir fordern einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, um eine konsequente Aufklärung der Ermordung von Burak Bektaş zu erreichen. Wir klagen rechte und rassistische Strukturen in der Gesellschaft an!

Individuelles Gedenken an Buraks 8. Todestag

Eine Demonstration zum 8. Jahrestag der Ermordung von Burak am 5. April können wir aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Schutzmaßnahmen nicht ausrufen. Aber der Todestag von Burak soll trotzdem nicht vergessen werden. Daher haben wir gemeinsam mit der Familie entschieden, dass wir dazu einladen wollen, das Gedenken individuell zu gestalten.

Den Gedenkort werden Transparente und Schilder mit offenen Fragen und kritischen Gedanken schmücken. Bei einem Spaziergang kann jeder und jede individuell am Gedenkort (Rudower Strasse/Möwenweg in Berlin-Neukölln) Blumen niederlegen. Die geplanten Reden von Betroffenen und Hinterbliebenen rechter und rassistischer Gewalt werden in Form von Audio- und Videobotschaften im Netz für alle auf unserem Blog zugänglich sein. Gemeinsam wollen wir deutlich machen:

Wir fordern noch immer Aufklärung! Und: Burak bleibt unvergessen!