: »Ich kann nicht in ein Gesicht schlagen«
■ Drei Skinheads schlugen nachts einen jungen Telefonzellen-Benutzer zusammen/ Ein Bericht
Potsdam. Es ist Freitag Nacht, ungefähr halb eins. Ich muß noch mal zur Telefonzelle auf den Platz der Nationen, einen Freund in Hamburg anrufen. Das Telefon klingelt minutenlang. Er ist nicht da. Genervt drehe ich mich um und sehe in diesem Augenblick drei Glatzen vor der Zelle stehen: »Verdammte Scheiße«. Angst schießt durch meinen Körper, ich wende mich wieder ab und lasse weiterklingeln in der verrückten Hoffnung, daß sich doch noch jemand meldet. Ich höre, wie hinter mir die Tür aufgeht. »Ej, jeht det nich' schneller«. Ich ziehe die Tür zu. Entweder mache ich weiter mit der Telefon-Show oder gehe jetzt heraus: »Ich bin doch hier nicht im Film«, denke ich, »die wollen bestimmt nur telefonieren.«
Meine Angst kommt mir ein bißchen lächerlich vor. Irgendwann hänge ich ein und öffne die Glastür — den Blick nach unten, um nur heil herauszukommen. Aber daraus wird nichts: Ich werde von den Dreien hin- und hergeschubst, »wie auf dem Schulhof«, schießt es mir durch den Kopf. Dann spüre ich den dumpfen Aufprall von Fäusten und Stiefeln auf meinem Rücken. Ohnmächtige Wut steigt in mir hoch. Ich hasse diese dummen Fratzen, die vor meinen Augen herumschreien. Und zugleich denke ich merkwürdig nüchtern: »Du kannst es nicht über dich bringen, mit deiner Faust in ein Gesicht zu schlagen.« Meine Distanz zu mir selbst geht sogar so weit, daß ich mich, während die Skins auf mich einprügeln, frage, wie ich jetzt überhaupt so klar denken kann. Zugleich tobt in mir die Angst hinzufallen. Verzweifelt versuche ich, mich auf den Beinen zu halten.
Nach etwa fünf Minuten lassen sie von mir ab und rennen in eine der Seitenstraßen. Erst kurz darauf merke ich warum: am anderen Ende des Platzes tauchen zwei Menschen auf. Ich könnte heulen. »Diese feigen Schweine!« mat/joe
In letzter Zeit häufen sich Übergriffe von Skins. Wer ähnliches erlebt hat und meint, daß dies öffentlich gemacht werden müßte, kann uns sein Erlebnis mitteilen, damit Erfahrungen ausgetauscht und Verhaltensweisen diskutiert werden können.
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