: Die taz den tazlern — noch zeitgemäß?
■ Die Geschäftsführung: Wer mit dem Geldsack kommt, will die Inhalte bestimmen
Die Geschäftsführung der taz und ein Vertreter der Technik im Vorstand haben zum Vereinsplenum am Ende dieses Monats einen eigenen Antrag zur Abstimmung vorgelegt. Darin behält der Verein als Besitzer der Zeitung seine zentrale Stellung. Allerdings sollen die Besitzrechte für ein Jahr an eine Gruppe von „Sachwaltern“ übertragen werden, bei denen die Aufsicht über die Sanierung der taz-Unternehmen liegen soll. Ein Jahr lang dürfen sie danach machen, was sie zur Sanierung für nötig halten - bis auf eins: „die Veräußerung von Anteilen der taz“, sprich den Verkauf von Teilen des Unternehmens. Nach einem Jahr geht dem Antrag zufolge das - sanierte - Unternehmen an den Verein zurück. Dessen Mitglieder entscheiden dann über das weitere Vorgehen. (ar)
Hat die Selbstverwaltung noch einen Wert? Ist es von Bedeutung, wem die taz gehört? In der taz gibt es viele Stimmen, die das inzwischen klar verneinen. Selbstverwaltungswirtschaft als Mißwirtschaft findet ihren besten Ausdruck in dem Mythos vom gerechten Einheitslohn, der inzwischen in der boomenden Metropole Berlin bald nicht mehr ausreichen wird, auch nur die Miete zu bezahlen.
Gibt es nicht dennoch gute Gründe, an alten Werten der taz festzuhalten? Ich finde, ja!
Die taz ist eine konservative Zeitung. Selbst in der Reklame gibt es über 13 Jahre hinweg ein durchgehendes Motiv: Wir warten nicht auf bessere Zeitungen (1978); Täglich eine linke, radikale Zeitung (1980); Im Vergleich zu uns sind alle anderen gleich (1985); Was hier nicht steht, steht in der taz (1990) — die Werbesprüche betonen immer nur das eine: die Andersartigkeit der taz.
Die taz wird auch in Zukunft ohne diese Haltung nicht auskommen. Oder um es in der Sprache der neuen Fans der Marktwirtschaft (früher Kapitalismus) in der taz zu sagen: Die Andersartigkeit allein sichert der taz den Markt, den sie erobert hat und über ein Jahrzehnt verteidigt hat. Selbstverständlich kann sie nicht überleben, wenn sie sich nicht entwickelt und weitere Leserschichten erschließt. Sie hat aber keine Chance, wenn sie den Teilmarkt, in dem sie sich etabliert hat, ohne Not aufgibt.
Im Strudel der nicht gleichgeschalteten, aber gleichartigen Medien wird die taz untergehen, wenn sie sich anpaßt. Seit Jahren geistert die Hoffnung nach dem großen Geldgeber durch die Köpfer vieler unserer RedakteurInnen. Dabei zeigen die Beispiele im Ostteil Berlins, daß die GeldgeberInnen auch die WeisungsgeberInnen in den Medienkonzernen sind: Im Berliner Verlag ist, nur wenige Monate nachdem Gruner und Jahr den Fuß in die Tür gestellt hat, kaum noch eineR der nach der Wende von der Belegschaft eingesetzten ChefredakteurInnen im Amt. Titel, für die Bestandsgarantien ausgesprochen worden sind, existieren nicht mehr. Trotz Bestandsgarantien für Arbeitsplätze gab es Massenentlassungen. Die inhaltliche Ausrichtung einer Mittagszeitung wurde dramatisch „gewendet“ von einem liberalen, um seriösen Boulevard-Journalismus bemühten Blatt in ein rechtes Kampfblatt.
In dem sich immer weiter konzentrierenden und an Vielfalt verarmenden Markt muß die taz anders sein als alle anderen, und sie darf auch nicht denen gehören, die am Kiosk ohnehin schon die Regale mit ihren in den Marktforschungsabteilungen ersonnenen Produkten verstopfen. Für die, die in dieser Zeitung arbeiten, wird das immer mit Einschränkungen, aber auch mit besonderen Chancen verbunden sein. So eine Zeitung wie die taz ist immer überregional, weil sie jeden erreichen will, und sie ist immer oppositionell, weil ja schon alle anderen sich anpassen. Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen für die Ökonomie, denn so eine Zeitung wird nie eine erste Adresse für Anzeigen werden, von denen aber auch diese Zeitung lebt. Die taz bietet aber jedem/r dort Tätigen auch eine einmalige Chance: an Laufbahnkarrieren vorbei investigativen, freien, nicht dirigierten Journalismus zu betreiben.
Selbstverständlich gehe auch ich davon aus, daß unterschiedliche Leistung, unterschiedliche Betriebszugehörigkeit und unterschiedliche Qualität der Arbeit in Zukunft auch unterschiedliche Entlohnung zur Folge haben muß bei der taz. Auch bei der taz muß es möglich sein, angemessene Löhne und Honorare zu zahlen und sich dabei nicht vom angemessenen PförtnerInnengehalt leiten zu lassen. Dies zu erreichen, bedarf es aber nicht der Aufgabe der bisherigen Eigentumsverhältnisse an der taz.
Welche Chancen hat die taz?
Im deutschen Blätterwald gibt es nur eine Zeitung, die denen gehört, die sie täglich machen — das ist die taz. Dieses Eigentum an dem Unternehmen ist die Voraussetzung für radikale Unabhängigkeit. Der ökonomische Erfolg wird sich aber nachhaltig nur einstellen, wenn die taz absolut professionalisiert wird. Dazu gehört zuallererst eine Unternehmensstruktur, die den Widerspruch, daß einE taz-MitarbeiterIn gleichzeitig ArbeitnehmerIn und UnternehmerIn im eigenen Betrieb ist, produktiv löst. Selbstverwaltung darf nicht Hauptbeschäftigung bleiben, es muß klare Entscheidungs- und Verantwortungsstrukturen geben.
Die Hoffnung darauf, daß jemand als Erlöser mit dem großen Sack Geld und den richtigen Ideen kommt, aber nicht Tendenz und Inhalt der Zeitung bestimmen will, ist naiv und irreal und weckt eher Assoziationen an den kurzen Sommer der Währungsunion in der DDR. Wir müssen unsere Probleme selber lösen und den richtigen Anfang auf dem taz- Plenum am Ende dieses Monats machen. Dort werden die Weichen gestellt. Karl-Heinz Ruch
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