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Wer geht wann in welche Schule?

■ Im Westen wird umgemuddelt: Grundschule Fischerhuder Straße soll Schulzentrum werden

„Der hat Schiß, der kneift“, spekulierte der Steppke mit triumphierendem Blick in die Runde. Hatte sein Transparent aufgepflanzt wie ein Bajonett und wartete auf Bildungssenator Henning Scherf. Der wolle nämlich „seine“ Grundschule in der Fischerhuder Straße zu einem Schulzentrum für die Klassen 5 bis 10 (Sekundarstufe I) umfunktionieren, und dagegen liefen Eltern und Kinder des Bremer Westens am Dienstag abend Sturm.

Als Scherf dann zwei Minuten später vor dem jungen Demonstranten stand, bließ der nur noch dreimal aufgeregt die Backen auf und folgte dann — wie alle anderen 200 Demonstranten — dem Senator in die gemeinsame Beiratssitzung Walle und Gröpelingen. Da kamen dann die Fakten auf den Tisch.

Vom Schuljahr 1994/95 an wird im Bremer Westen der Schulraum für die Klassen 5 bis 10 knapp, erklärte Scherf, und weil der Senat für den Neubau eines Sekundarstufe-I-Zentrums kein Geld habe, sei der Umbau der Grundschule Fischerhuder Straße geplant. Grundschulräume, so erklärte der Senator weiter, gebe es dann nämlich mehr als genug, und deshalb müßten die Schüler umverteilt werden. Insgesamt habe die Behörde im Westen 46 leere Grundschulräume ausgemacht.

Im Gegenzug will Scherf die ehemalige Schule Lissaer Straße renovieren und ausbauen. Zu den acht Räumen, die dort jetzt schon benutzbar seien, sollen noch einmal 13 neue hinzukommen. „21 Räume ist für so eine Schule Raumstandard“, erklärte Schulplaner Hermann Busse den Beiräten.

Die Eltern und Lehrer waren empört. Was denn aus den Sonderschulklassen würde, die derzeit an der Fischerhuder Straße unterrichtet würden? Wie denn die Kleinen die längeren Schulwege bewältigen sollten? Was denn überhaupt diese Zahlenspielerei solle, die man schon lange kenne. Da platzte Scherf der Kragen: „Wenn Ihr Unterricht genauso aktuell wäre, wie die Zahlen, die wir hier vorlegen, dann wäre er vielleicht auch besser,“ fauchte Scherf die lamentierende Lehrerin an.

Die Sonderschulklassen blieben übrigens, wo sie seien, und längere Schulwege gebe es einfach nicht. „Wir müssen doch nach einer Gesamtlösung suchen, da kann doch nicht jeder seine eigenen Brötchen backen“, mahnte Scherf.

Dann wieder Fragen: Ob ein SEK-I-Neubau denn wirklich teurer sei als die vielen Umbauten: Scherf hatte eine Summe von 50 Millionen in die Versammlung geworfen. Wie er an diese Summe kam, konnte er nicht erklären, wie teuer die Um- und Ausbaumaßnahmen würden, wußte er ebenfalls nicht. „Wir müssen doch erst einmal etwas planen, bevor wir prüfen, wie teuer es wird“, verteidigte er sich. Die Eltern und Lehrer ahnten einen anderen Grund: Ein Neubau wird politisch nicht gewünscht, egal, wie teuer oder billig er würde. Scherf: „Es wird keinen baulichen Befreiungsschlag im Bremer Westen geben.“

Weiter: Im Februar sei die Behörde bei ihren Planungen noch von 79 Grundschulklassen ausgegangen, jetzt sei nur noch von 68 Klassen die Rede. Wo denn die 220 Kinder geblieben seien, die im Februar offenbar noch gezählt worden waren? „Neue Zahlen“, erklärte Schulplaner Busse und erntete dafür nicht unerhebliche Lacherfolge.

Es blieb kontrovers bis zum Ende, aber der Streit blieb unfruchtbar. „Wir haben erwartet, daß wir heute über die Planungen entscheiden können“, meinte der Beiratssprecher aus Gröpelingen, Wolfgang Rohde. Die vorbereiteten Anträge in beiden Beiräten wurden einstimmig in die nächsten Sitzungen überwiesen. mad

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