: Rotkäppchen ohne Wolf
■ Dienstagabend: Kulturpolitiker aller Parteien auf Anhörung im Leibnizplatz-Theater
Es hatte was von Rotkäppchen an sich — dieses geballte Abhaken unser aller Partei-Positionen zur Bremer Kultur. Märchenhaft war's allerdings nur insofern, als es das Personal betraf: also Großmutter, Jäger, Rotkäppchen und den bösen Wolf.
Die Großmutter gab Frau von Schönfeldt, Annelene, eine Art hausfrauliches Politik-Trutschchen der FDP, welches ab und zu an Schärfe zu gewinnen sucht. Weshalb Claus Jäger lieber mitgekommen war zum Aufpassen, den Kopf aber immer ein wenig hängen ließ, wie es beim Einschlafen üblich ist. Den Jäger machte Klaus Haefner, Schatten- Wissenschaftssenator der CDU, eigentlich Informatiker. Ein eloquenter Schütze, der aus allen Röhrchen auf die SPD schoß mit Talent zum Treffen — in der kreuzschnarchlangweiligen Veranstaltung wenigstens hin und wieder für auffahrende Spottisen und Reibe-Flächen sorgend. Helga Trüpel spielte das Rotgrünkäppchen: immer nett grob, immer mit echter Speisung im Körbchen, aber immer ein bißchen zu auswendig erregt.
Wer fehlt? Richtig, die SPD. Der böse Onkel-Wolf, das Schwein. War einfach nicht da. Weshalb die Pointe fehlte und ach überhaupt. Stellen Sie sich also Rotkäppchen vor, bloß ohne Handlung. Bleibt das Reden. Aber was bleibt da? Es hat etwas einigermaßen Verlorenes, wenn öffentlich hoffende Oppositionelle im Freiraum des Machtlosen ihren Willen zur Veränderung verlautbaren. Aber schließlich: wer weiß... . Für die veranstaltende ZOKK, die Zentrale Organisation für Kunst und Kultur (ein Zusammenschluß Bremer Kulturis vom BBK über's Goethetheater bis zur MIB), moderierten Brigitte Schulte-Hofkrüger von Dacapo und Bernd Gosau, STINT, und hatten keine Kontroverse im Sinn.
So erfuhr die vollständig versammelte Kulturszene zunächst, wer von den dreien in letzter Zeit auf Kulturbesuch war. Naja: Frau von Schönfeldt war beim Musikfest trotz Kartenmangels, was man ihr also eventuell hoch anrechnen muß. Herr Haefner hatte keine Zeit, bereute dies aber ehrlich, grade hier und jetzt. Frau Trüpel hatte als einzige Hausaufgaben gemacht und war fast überall gewesen. Peter den Großen kannten alle vom Sehen. Dann sollten alle mal sagen, ob sie einen schweren Stand haben als KulturpolitikerInnen und überhaupt was zur Kulturpolitik.
Frau von Schönfeldt möchte also zuerst und vor allem Kultur- Klima-Verbesserung, gepaart mit Konzepten. Herr Haefner findet die Kultur mißachtet, typisch SPD, und will ansonsten Wandel und hin zum sponsernden Handel. Helga Trüpel kann die erste Kontaktsuche mit der freien Szene auf ihr Konto verbuchen, worauf auch die gute Idee eines Kulturrats und die „Akademie der Fehler“ geht — eine Institution, wo alte Kulturhasen jungen was beibringen sollen.
Gemeinsam ist allen der Wille zur Verdoppelung des Kulturetats auf drei Prozent. Mit den Haushaltsleuten ihrer Fraktionen geht's wohl mal so, mal so; Haefner findet allerdings, er hätt's da besser, weil nach ihm Kultur ja ein Wirtschaftsfaktor sein soll, und das freut Haushalter. Und Sponsoring sonst? CDU: ist klar. Frau von Schönfeldt will der Wirtschaft darüberhinaus Geben und Nehmen beibiegen. Für Frau Trüpel ist's wünschenswert, aber kein Heilmittel.
Das kulturell eher etablierte Publikum frug dann u.a. noch ein wenig nach der Einstellung zum Experimentellen und antwortete selber, daß es doch wohl der Fürsorge des Staates bedürfe. Herr Haefner malte immer mal wieder ein bißchen wachmachende Apokalypse an die Wand und forderte eine bessere Abstimmung der „Kultur-Zene“ statt eines „Crescendo von Stimmen“. Alle drei versprachen, auch als Unerwählte am Ball zu bleiben.
Nach einer von zwei Stunden hatte das halbe Publikum bereits das Theater verlassen und hörte nicht mehr die hübsche Frage von Thomas Deecke, Weserburg-Direktor, ob man von Kulturpolitikern eigentlich erwarten dürfe, daß sie sich für Kultur interessieren. Huch. Claudia Kohlhase
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen